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30.05.2010
Eine transsexuelle Frau und ihr Mann (Steven Monjeza und Tiwonge Chimbalanga) sind in Malawi wegen "Homosexualität" angeklagt gewesen und nun wurden sie vom Präsidenten des Landes begnadigt, da sich weltweit Organisationen (in Deutschland unter anderem LSVD und Amnesty international) dafür eingesetzt hatten. Eigentlich wäre das ja eine wunderschöne Meldung. Endlich, könnte Mensch sagen... unter welchen Umständen der Freispruch zustande gekommen ist, verwandelt die Freude aber gleichzeitig in tiefe Trauer. Trauer darum, dass transsexuellen Menschen nur dann ihre Menschenrechte zugestanden wird, wenn ihnen ihre geschlechtliche Identität abgesprochen wird.

Vereinnahmung im Namen der Menschenrechte - wie soll ein transsexueller Mensch damit umgehen?

Hier erst einmal ein paar Zitate:

"Bundesregierung muss freigelassenen, schwulen Männern aus Malawi Asyl anbieten"
(Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer und Menschenrechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 29. Mai 2010)

"Da die Verhaftung der beiden Männer ausschliesslich auf deren sexuelle Orientierung zurückzuführen ist, hat sich nun auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International eingeschaltet"
(Amnesty International Mai 2010)

"Die BBC berichtet, Präsident Bingu wa Mutharika habe die sofortige Entlassung der beiden Männer befohlen. Die Ankündigung kam anlässlich eines Besuches von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon."
(queer.de 29.05.2010)

Dass es sich nicht um zwei schwule Männer handelt, sondern um eine transsexuelle Frau und einen Mann interessierte hierzulande kaum jemanden. Dass die Aberkennung der geschlechtlichen Identität transsexueller Menschen Kern der Transphobie und eine Menschenrechtsverletzung ist wurde von vielen billigend in Kauf genommen, die ebenso den Begriff "Menschenrechte" auf ihre Fahne geschrieben haben.

Die südafrikanische Transgender-Organisation Gender DynamiX fragt auf ihrer Website:

"Warum bezeichnen wir Tirwo als Mann?" und zitiert andere transsexuelle Frauen mit folgenden Worten: "Aber sie ist wie ich!" oder "Sie sagt sie ist eine Frau. Sie präsentiert sich deutlich als Frau. Kennt sie das Wort transgender?". Eine Frage einer Trans-Organisation aus Uganda ist ebenfalls auf der Gender-Dynamix-Page aufgeführt:

"Warum gibt es diese Angst, dass die Wahrheit über Tiwonge's Identität die Sache schlecht aussehen lassen würde? Ist die Warheit nicht geeignet dafür, uns frei zu bekommen?"

Hier ein O-Ton:
Download

Es wird Zeit, dass wir uns klar machen, dass Vereinnahmung transsexueller Menschen für andere Zwecke - auch wenn sie gut gemeint ist - immer eine Vereinnahmung bedeutet.

Wenn homosexuelle Menschen für ihre Rechte kämpfen (Homoehe, weltweite Anerkennung, dass die homosexuelle Orientierung kein Straftatbestand sein darf) ist das zu befürworten - wenn sie transsexuellen Frauen unterstellen eigentlich schwule Männer zu sein oder transsexuellen Männern, sie wären eigentlich lesbische Frauen, dann ist dies eine Menschenrechtsverletzung.

Wenn intersexuelle Menschen für ihre Rechte kämpfen (Beendigung von Genitalverstümmelungen bei uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen), dann ist das sehr, sehr wichtig - wenn sie und ihre Unterstützer behaupten, transsexuelle Frauen wären "Männer, die sich wie Frauen fühlen" um ihnen zu unterstellen, sie wünschten sich eine "Geschlechtsumwandlung" (oder Männern vice versa), dann ist dies eine Menschenrechtsverletzung.

Dass die Vereinnahmung transsexueller Menschen immer noch möglich ist - vorallem auch im angeblichen Namen der "Menschenrechte" - zeigt, dass der Wesensgehalt von Transsexualität bei vielen Menschen auch hierzulande immer noch nicht angekommen ist... das traurige ist, dass dies selbst bei denen nicht der Fall zu sein scheint, die ja selbst von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind, wie homosexuelle und intersexuelle Menschen.

Die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. hat nun Volker Beck und Amnesty International um eine Stellungnahme gebeten.

Hier ein paar Ausschnitte:

"Liebe Menschen von Amnesty International Schweiz, [...] Einer transsexuellen Frau ihr Recht auf ihre geschlechtliche Identität abzusprechen ist unschön und einer der Menschenrechtsverstösse, die weltweit immer wieder vorkommen. Dass ausgerechnet 'Amnesty Schweiz' hier diese Menschenrechrsverletzung begeht, die von transgender-Aktivisten weltweit immer wieder seit Jahren beklagt werden, ist erschreckend. Der Respekt vor der geschlechtlichen Identität ist der wichtigste Moment für die Bekämpfung weltweiter Transphobie. Wir hoffen, dass damit endlich begonnen wird. Liebe Grüsse."

"Lieber Volker Beck, [...] da genau diese Unterstellung weltweit als Grundlage dafür dient, transsexuellen Menschen Menschenrechte zu verwehren - auch die deutsche Gesetzgebung tut ja so, als wäre eine transsexuelle Frau keine 'richtige' Frau und ein transsexueller Mann kein 'richtiger' Mann - können wir die Aberkennung der geschlechtlichen Identität transsexueller Menschen selbst dann nicht gutheissen, wenn sie 'gut gemeint' ist, wie im Falle des Paares aus Malawi."

Transsexuelle Frauen sind Frauen. Transsexuelle Männer sind Männer.

Hier noch Monica Mbaru von der International Gay and Lesbian Human Rights Commission:

Download Interview

Ach ja, vielleicht auch noch als Tipp für den LSVD, Volker Beck und Amnesty International: Klick.

Hier ein kleiner Nachtrag:


In einer Mail des heutigen Tages an ATME e.V. betont Mbaru Monica von der IGLHRC (International Gay and Lesbian Human Rights Commission), welche die beiden im Gefängnis besucht hatte, ausdrücklich, dass sich Tionge als Frau versteht:

"I must admit as well that we have been discussing with Tionge and Steven in prison through an interpreter in Chichewa as they do not understand any English at all. [...] We have visited Tionge (aunty Tiwo) in prison and true she is transgender and identifies as a woman."

Nachtrag 5.6.2010:

Nach anfänglicher Bestürzung über die Vereinnahmung eines Menschen, der sich selbst als Frau sieht und dies auch so geäussert hat, durch Interessensgruppierungen, die diese Frau als schwulen Mann bezeichnet haben, bin ich zwar immer noch bestürzt darüber, wie einem Menschen seine Geschlechtsidentität abgesprochen wird, muss aber zugeben, dass jegliche Form der Vereinnahmung immer einen Missbrauch eines Menschen darstellt.

Da Tiwonge und Steven kein englisch Sprechen und die Begriffe "gay", "intersexuell" und "transgender" bzw. "transsexuell" in ihrer Heimatsprache nicht existieren, ist eine Etikettierung von Tiwonge mit jedem dieser Begriffe problematisch.

Würde ich den obigen Tagebucheintrag heute schreiben, würde ich hier wahrscheinlich "nur" noch von "ihr" bzw. einer "Frau" schreiben, da Tiwonge sich dazu geäussert hat, dass sie sich so sieht. Andere Begrifflichkeiten braucht es dazu nämlich nicht.
 
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