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15.06.2011
In der letzten Woche gab es eine Sitzung im Bundestag, in der es um das Transsexuellengesetz ging. Grüne und Linke hatten aus menschenrechtlicher Sicht sehr gute Anträge eingebracht - z.B. die Abschaffung der Zwangsgutachten, bei denen sich paradoxerweise z.B. eine transsexuelle Frau erst damit einverstanden erklären muss, als "biologischer Mann" zu gelten, der in der Frauenrolle leben will (was ausgehend der Vorstellungen der sogenannten "Sexualwissenschaft" die Grundidee der Begutachtung ist.). Darüber will ich aber heute nicht schreiben, sondern darüber, wie wenig manche Politiker gelernt zu haben scheinen und wie wenig Interesse sie scheinbar daran haben, sich eigene Gedanken zu machen bzw. Ungereimtheiten zu hinterfragen.

Gabriele Fograscher von der SPD war es, die eine Rede zu Protokoll gegeben hat, in der sie behauptete transsexuelle Menschen hätten "ein Problem mit ihrer Identität". Irgendwie kam mir das sehr bekannt vor, diese Brücke zur Psychopathologisierung transsexueller Menschen, indem man von der eigentlichen Problematik (den gesellschaftlichen Umgang mit geschlechtlichen Abweichungen) ablenkt, und eine Identitätsproblematik behauptet. Gabriele Fograscher von der SPD war es auch, die - neben der CDU und der FDP - weiterhin eine Zwangsbegutachtung möchte, wenn eine transsexuelle Frau Papiere beantragt, auf denen sie als Frau ausgewiesen ist (trotz Bedenken der Vereinten Nationen, die diese Praktiken des deutschen Begutachtungsverfahrens im TSG ja bereits mehrfach kritisiert hat).

Nun habe ich mal geschaut, in welchen Zusammenhängen behauptet wird, transsexuelle Menschen hätten ein "Promlem mit ihrer Identität".

Treffer 1: Eine Bekannte von Sophinette Becker aus Frankfurt: Elisabeth Vlasich aus Österreich. Auch sie entstammt, wie Becker, die ja transsexuelle Menschen in Büchern als mit Borderlinern verwandt darstellt, dem Psychobereich und "therapiert" transsexuelle Menschen. Vlasich bezieht sich auf ihrer Website (abgerufen: heute) u.a. auf den DSM IV: "Es geht hierbei um eine Geschlechtsidentitätsstörung, da es sich doch vorwiegend um eine Identitätsproblematik handelt als um eine sexuelle Thematik." Transsexuelle Menschen, so behauptet sie, seien menschen die "meinen,'mit den falschen Geschlechtsorganen'" auf die Welt gekommen zu sein. Das "meinen" in diesem Satz ist kein Zufall. Genau dieses Wort unterstreicht die Idee der "Geschlechtsidentitätsstörung", die Vlasich hat.

Treffer 2: Wikipedia. Unter Trans"identität" steht hier, dass dieser Begriff synonym zu Transsexualität verwendet werde und das Phänomen beschreibe, dass die Geschlechtsidentität vom biologischen Geburtsgeschlecht abweiche. Es wird darauf verwiesen, dass "transidente" Menschen "sozial als Angehörige des 'anderen' Geschlechts" anerkannt werden wollen. Dass transsexuelle Menschen in erster Linie als sie selbst anerkannt werden wollen, und wenig Interesse daran haben, primär Geschlechtsrollenstereotype zu erfüllen (soziale Rolle), vergessen die Autoren hier.

Treffer 3: Brigitte Vetter. Sie schreibt in dem Buch "Transidentität - ein unordentliches Phänomen": "Da bleibt kein Platz für Menschen, die sich im biologisch falschen Körper fühlen und ihre Identität geschlechtskonträr empfinden". Wenn wundert es, dass Vetter auch aus dem Psychobereich stammt und behauptet, transsexuelle Menschen "fühlen" sich "biologisch im falschen Körper" und dies dann als "geschlechtskonträr" belabelt. Dass gesagt wird transsexuelle Menschen "fühlten" sich so - und zwar ohne es zu sein (!) - ist einer der Grundfehlannahmen, die dazu geführt hatten, dass einst der Begriff "Geschlechtsidentitätsstörung" überhaupt erst eingeführt wurde.

Treffer 4: Das Buch "Wenn Kinder anders fühlen – Identität im anderen Geschlecht". Unter dem Subtitel "Ein Ratgeber für Eltern" heisst es da im Klappentext: "Ihr sechsjähriger Sohn will im Kleid zur Schule zu gehen? Ihre kleine Tochter behauptet: 'Ich bin nicht 'sie', ich bin 'er'!' Handelt es sich um eine Entwicklungsphase oder könnte Ihr Kind 'transident' sein, d.h. sich nicht seinem biologischen Geschlecht zugehörig fühlen, sondern dem anderen?." Gesagt wird also: Transidentität bedeutet, zu "behaupten" jemand zu sein, nämlich jemand der sich "nicht seinem biologischen Geschlecht" zugehörig fühlt.

Allen diesen Treffern gemeinsam ist: Das "Fühlen". Dieses "Fühlen" heisst, dass derjenige, der einen transsexuellen Menschen in "transident" umbenannt hat, zwar so "fühlen mag", aber ja eindeutig so "fühlt", dass sein "Gefühl" nicht zu seinem angeblich "biologischen Geschlecht" passt. Ein toller Trick, einem transsexuellen Menschen das Wissen um seine eigene Geschlechtszugehörigkeit abzusprechen. Interessant ist, dass diejenigen, die diesen Trick seit Jahren (wenn nicht Jahzenhnten) anwenden, zugleich ein "biologisches Geschlecht" behaupten, das es bei näherer Betrachtung so überhaupt nicht gibt. Das "Biologische Geschlecht" besteht in Wirklichkeit nämlich nicht nur aus einem einzigen Merkmal, sondern aus vielen, die sogar voneinander abweichen können. Dass dieser Teil der konstruierten Gleichung, also der Bezug zum angeblichen "biologischen Geschlecht" (das in Wirklichkeit ja gar nicht gemeint ist, von denen die transsexuellen Menschen das Wissen über ihre eigene Geschlechtszugehörigkeit absprechen) aber oft gerne mal unkritisiert einfach mal stehen bleibt, ist das eigentlich erstaunliche. Erschreckend wird es dann, wenn damit Menschen Rechte verwehrt werden soll.

Gabriele Fograscher reiht sich damit ein, in die Reihe transphober Frauen, die transsexuelle Menschen gerade nicht als Teil der Realität anerkennen wollen. Ich hatte ja bereits einmal darüber geschrieben, dass ich Transphobie für weiblich halte. Transphobie spricht von "Du fühlst Dich so" und meint damit zugleich "Du bist aber nicht". Wer so denkt, hat wenig Interesse daran, dass die Zwangsbegutachtungen abgeschafft werden, die genau auf dieser "du fühlst dich so, aber bist es nicht"-Logik basieren, die transsexuellen Frauen abverlangt, sich zuerst selbst zu verleugnen, indem sie sich dieser Selbstverleugnungs-Logik beugen, tausende Euro für diese Demütigung zahlen, sich von Psychiatern an ihren Genitalien begrabschen lassen, um damit letztlich ihr eigenes Outing, ja damit letzlich sich selbst zu verraten.

Im übrigen ist Fograscher ja nicht alleine. Es gibt ja auch noch die Gleichung "gender" vs. "sex", die ähnlich motiviert ist, wie die Gleichung "transidentität" gegen "biologisches Geschlecht". Es sind nur englische Begriffe, die verwendet werden. Inhaltlich geht es denen, die diese Gleichung aufstellen auch darum, zu behaupten, es gäbe "gender" auf der einen, und das eine, leicht zu definierende, eindeutige, uns allen vertraute "biologische Geschlecht" auf der anderen Seite. Dieses ultimative Geschlecht das per Operation "geändert" werden könne, wie einige, die noch in der Adam-und-Eva-Welt gefangen sind, gerne mal glauben. Oder zumindest glauben, so behaupten zu müssen.

Geschlechtliche Vielfalt anzuerkennen, sieht anders aus.

Artikel zur Bundestagssitzung vom 9. Juni 2011 bei ATME e.V: Hier.
 
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