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17.05.2012
Kritische Gedanken zum 17. Mai, dem Tag auch gegen Transphobie, oder, warum ich die "Transgender"-Ideologie selbst für transphob halte:

Es gibt Menschen, die Transsexualität nicht als natürliche geschlechtliche Normvariante verstehen und sich gesellschaftlichen Klischeevorstellungen über Geschlecht häufig unterordnen, in dem sie eine Trennung zwischen dem, was sie "körperlich-biologisches Geschlecht" nennen einerseits und dem psychischen (dem ihrer Ansicht nach "unbiologischen") Geschlecht andererseits propagieren. So sagen sie, es gebe beispielsweise "biologische Männer, die sich wie Frauen fühlen". Dieses "Fühlen-Wie" leiten sie aus gesellschaftlichen Prozessen ab und nennen dieses Geschlecht "gender". "Gender" meint hier soziales Geschlecht und das "Fühlen-Wie" nennt sich "Gender Identity" bzw. "Geschlechtsidentität". Wer sein soziales Geschlecht wechselt, da er sich mit einem "anderen" sozialen Geschlecht als dem sogenannten Geburtsgeschlecht identifiziert, sei "transgender".

Vertreter dieser Weltanschauung fallen in der Regel dadurch auf, dass sie entweder Biologie und Nicht-Biologie trennen, oder sogar sagen, dass es so etwas wie ein "biologisches Geschlecht" gar nicht gibt. Beiden gemeinsam ist, dass die Ableitung, die sie aus ihrer Wunschvorstellung treffen in der Folge entweder stereotype Vorstellungen über das, was als "biologisches Geschlecht" zu gelten hat, bestätigen oder sogar, analog der Behauptung es gebe kein "biologisches Geschlecht", Geschlecht lediglich als Ausdruck des Handelns, dem, was als "doing gender" bekannt ist, zulassen wollen. Wer in einem bestimmten Geschlecht wahrgenommen werden will, muss eine geschlechtliche Handlung vollziehen, um als er selbst wahrgenommen zu werden, so die These. Die Folgen dieser Ideologie sind fatal, wenn es um in der Natur vorkommende geschlechtliche Abweichungen geht - denn wer nicht bereit oder willens ist, geschlechtlich zu Handeln, sondern darauf hofft, dass eine Aussage wie z.B. "ich bin ein Mädchen" auch ohne geschlechtliche Beweise akzeptiert wird, wird, insofern er auf einen Anhänger der "transgender"-Ideologie stösst, bitter enttäuscht werden.

Die "transgender"-Idee stammt aus der Zeit, in der die Psychopathologisierung transsexueller Menschen als Menschen mit "gender dysphorie" in medizinisch-diagnostische Manuale Einzug hielt: Ende der 60er-Jahre, Anfang der 70er des letzten Jahrhunderts. Seit dieser Zeit wird beispielsweise im Manual der psychischen Störungen eine "gender identity disorder" (oder in Fachbüchern auch "gender dysphoria") an behaviouristischen Merkmalen - also an dem, was ein Mensch für eine "geschlechtliche Handlung" zeigt - festgemacht. Bei Kindern werden diese geschlechtlichen Verhaltensweisen an Spielzeug, Kleidung und Vorlieben gemessen. Aber auch erwachsene Menschen, die transsexuell sind, werden seit dieser Zeit verstärkt darin getestet, welche "geschlechtliche Rolle" sie in der Gesellschaft spielen wollen und ihr geschlechtliches Verhalten als Voraussetzung für medizinische und rechtliche Behandlung vorgeschrieben. Transsexuelle Menschen kennen diese Voraussetzungen, die sich streng nach der Ideologie des "doing gender" richten, unter dem Namen "Alltagstest".

Man könnte annehmen, dass die Theorien, die Geschlecht als Folge von Handlung erachten und in der Folge zu massiven Menschenrechtsverletzungen geführt haben (wie z.B. der Annahme, dass Menschen hier solche geschlechtlichen Handlungen als Kriterium heranziehen dürfen, um über medizinische Behandlung oder juristischen Stand von Aussen zu entscheiden) längst Vergangenheit sind und als unrühmliches Kapitel einer stereotyp-verstaubten Phase des letzten Jahrhunderts längst abgehakt sind. Doch weit gefehlt.

Auch wenn seit Jahrzehnten bekannt ist, dass Geschlecht in der Natur vielfältig ist, und daher eine Selbstaussage eines Menschen, der von einer geschlechtlichen Norm abweicht, immer auch, konsequenterweise, eine Aussage über sein "biologisches Geschlecht" sein muss, tauchen, wenn es um die rechtliche und medizinische Handhabe (über Menschen!) geht, häufig immer noch diejenigen auf, die Vertreter dieser konservativen und fremdbestimmenden Haltung sind. Eine Weltanschauung, die von einem Menschen mit geschlechtlicher Normabweichung verlangt, sich geschlechtlich zu verhalten, und ihm seine geschlechtliche Anerkennung so lange verwehrt wird, solange er sich für Aussenstehende nicht ausreichend genug geschlechtlich verhalten hat (im Sinne eines "doing gender"), muss zwangsläufig zu Menschenrechtsverletzungen führen. Wer Geschlecht an gesellschaftlichen Merkmalen, also Klischees, festmacht und "gender" als Kriterium der geschlechtlichen Zuordnung heranzieht, anstatt einen Menschen in seinem geschlechtlichen Selbst zu akzeptieren, betreibt geschlechtliche Fremdbestimmung.

Als logische Folge dieser Überlegung möchte ich folgende konsequente These treffen: Die "Transgender"-Idee ist immer ein Versuch der geschlechtlichen Fremdbestimmung. Wer selbst Angehöriger dieser Weltanschauung ist, will Menschen von Aussen zuordnen, anstatt ihnen ihr Recht auf Anerkennung ihrer geschlechtlichen Existenz zu gewähren. In dem, was als Handlung von Menschen, die sich selbst in ihrem Geschlecht der Fremdbestimmung - und damit einem hierarchischen System - unterwerfen, erkennbar ist, gehört dann meist auch das Ansinnen dazu, Menschen mit geschlechtlichen Normabweichungen einem gemeinsamen Gedankengebäude unterzuordnen (was sich dann in der Aufstellung diverser Oberbegriffe wie z.B. "transgender" zeigt), vermutungsweise um diese dann besser kontrollieren und fremdbestimmen zu können.

Auffällig ist, dass Menschen, die selbst stereotype Geschlechtsvorstellungen im Kopf haben, wie die Anhänger der "transgender"-Ideologie, häufig Probleme damit haben, anzuerkennen, dass es z.B. um Frau zu sein, den "performativen geschlechtlichen Akt" überhaupt gar nicht benötigt, sondern z.B. transsexuelle Menschen während ihres Coming-Outes einen Prozess der Selbstanerkennung ihres eigenen Geschlechts durchmachen, der sich noch nicht unbedingt mit einem Outing zeigen muss, aber trotzdem schon das Wissen über das eigene Geschlecht hervorbringen kann - quasi als Selbsterkenntnis über die eigene geschlechtliche Existenz, aus der erst in Folge so etwas werden kann, wie ein Sich-Äussern und ein Sich-Zeigen. Ein Outing eines transsexuellen Menschen und erst die Veräusserlichung des eigenen Wissens durch z.B. medizinische Schritte als "geschlechtliches Werden" oder einen "Geschlechtswechsel" zu verstehen, wertet das Coming-Out eines transsexuellen Menschen als reine psychische Befindlichkeit, ja sogar als Phantasie, irreal eben als "gender dysphorie" bzw. "Geschlechtsidentitätsstörung" ab.

Insofern gehen "transgender"-Ideologie und "gender identity disorder", also die Beurteilung des Selbstwissens eines transsexuellen Menschen über sein geschlechtliches Selbst als psychische Störung/Befindlichkeit immer Hand in Hand - ja, man kann sagen, dass die "transgender"-Idee und die Anerkennung natürlich-geschlechtlicher Normabweichung wie z.B. Transsexualität (aber auch Intersexualität) genau das Gegenteil voneinander darstellen. Kein Wunder daher, dass die Menschenrechtsverletzungen an transsexuellen Menschen - eben die sich aus einer "doing-gender"-Ideologie ergebenden gesetzlichen wie medizinischen Regelungen, in denen geschlechtliche Handlungen verlangt werden, um in seinem eigentlichen Geschlecht anerkannt zu werden - daher in einer Welt, in der Fremdbestimmung hoch gehalten wird, meist ignoriert werden und so getan wird, als wäre "transgender" und "Transsexualität" dasselbe.

Ich bin der Ansicht, dass die Kritik an geschlechtlicher Fremdbestimmung gerechtfertigt ist, und Menschen, die Ideologien für stereotyp und menschenverachtend halten, aus denen sich in der Folge geschlechtliche Unfreiheit ergibt, ein Recht darauf haben, in ihrer Kritik gehört zu werden. Wer hier so tut, als gebe es diese Kritik nicht, ignoriert die geschlechtliche Realität dieser Welt. Und er will nicht wahrhaben, dass die Welt vielfältig ist, und Menschen durchaus in der Lage sind, selbstbewusst zu sein.

Der 17. Mai ist ein Tag, an dem auch an die Opfer von Transphobie gedacht wird. Es ist ein guter Tag um daran zu erinnern, das geschlechtliche Selbstbestimmung da anfängt, wo einem Mensch das Recht zugestanden wird, dass sein Wissen, dass dieser über sein Geschlecht hat, wahr ist. Auch ohne, dass er handelt.

Hinweis für diejenigen, die meinen, dieser Artikel richtet sich gegen Menschen, die sich selbst als "transgender" bezeichnen: Nein, dem ist nicht so. Dieser Artikel richtet sich gegen eine Ideologie die sich "transgender" nennt, und Geschlecht an stereotyp-geschlechtlichen Handlungen festmacht, anstatt Menschen zuzugestehen, dass ein geschlechtliches Selbstwissen möglich ist - und das ganz unabhängig von geschlechtlichen Normen oder Stereotypen. Wer frei ist von geschlechtlicher Fremdbestimmung, kann sich nennen, wie er will. Aber er sollte sich bewusst darüber sein, welche Ideen er unterstützt, wenn er sich einem Begriff unterordnet. Da wohl kein Mensch auf der Welt im Besitz der ultimativen Wahrheit ist, sehe ich meinen heutigen Text als Teil einer Kritik an, die vielleicht dazu geeignet ist, dass sich jemand, der sich das durchliest, ein etwas differenzierteres Bild machen kann um dann seine eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Übrigens: Ich persönlich halte jegliche geschlechtliche Fremdbestimmung als Grund für Diskriminierung, Hass, Ausgrenzung und Gewalt.

Ergänzung:

Der Artikel wurde inspiriert von Texten, die Geschlechtlichliche fremdbestimmung legitimieren, da sie fast ausnahmslos zwischen echten/biologischen Geschlechtern und gefühlten Geschlechtern (Identität) unterscheiden. Es handelt sich um eine Broschüre der Bundeszentrale für Politische "Bildung":
http://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/135428/geschlechtsidentitaet?blickinsbuch

Als Autoren kommen zu Wort: U.a. Hertha Richter-Appelt, eine Sexologin die zwischen biologisch-körperlichem Geschlecht und psychischem Geschlecht scharf trennt und durchblicken lässt, dass sie eine psychiatrische Diagnose einer "gender dysphorie" auch in Zukunft für legitim erachtet, dann schreibt Reiner Herrn etwas darüber, dass er transsexuelle Menschen für Crossdresser erachtet und deutet in seinem Artikel dafür die Historie um und zu guter letzt kommt Arn Sauer, transmann aus Berlin zu Wort, der in seiner Bertrachtung über die Menschenrechtssituation von "trans*-Menschen" damit nicht transsexuelle Menschen zu scheinen mag, da er die Menschenrechtsprozesse und Berichte transsexueller Menschen der letzten Jahre (von der Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V.) und die wichtigen Reaktionen der Vereinten Nationen darauf völlig ausklammert. Tja, trans* heisst eben doch, dass man transsexuelle Menschen damit nicht meint.

Hier mal der Text mit Anmerkungen von ATME e.V.:

Veröffentlichung der Bundeszentrale für politische Bildung, kommentiert
 
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