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Geschlechtsidentität gibt es nicht |
Es ist Zeit deutlich zu machen, dass ich
mittlerweile glaube, dass etwas wie eine "Geschlechtsidentität" in
seiner Bedeutung als "gender identity" nicht existiert. Unter "Gender
Identity" stellt sich die Psycho-Sexologie seit den 60er-Jahren eine
soziale Geschlechtsidentität vor. "Gender" ist dabei das "soziale
Geschlecht" des Menschen. "Gender Idenity" wurde in einer Zeit erfunden,
in der das abweichende, unnormale Verhalten mancher homosexueller
Menschen erklärt werden sollte und man nicht bereit war, Homosexualität
als natürliche Normvariante anzuerkennen: Anfang der 60er-Jahre.
Psychologen behaupteten damals äussere Einflüsse (wie eine falsche
Erziehung durch die Eltern) wären für Homosexualität verantwortlich. Sie
behaupteten damit auch, dass Homosexualität etwas sei, das erst
entstünde.
Mittlerweile weiss man es besser und hat, auch auf
Grund zahlreicher Proteste von gay-Rights-Organisationen in den USA,
sich von solchen Thesen verabschiedet - zumindest sieht es erst einmal
danach aus. Bei näherer Betrachtung haben die Thesen, die auf der
Annahme einer sogenannten "psychosexuellen Entwicklung" basieren,
überlebt. Diejenigen, die immer noch psycho-pathologisiert werden sind
die homosexuellen Menschen, die sich nicht heterosexuell genug
verhielten und transsexuelle Menschen. Transsexuelle Menschen sind
diejenigen, die noch heute weiterhin von den Ideologien der 60er-Jahren
betroffen sind. Sie sind es deswegen, da immer noch behauptet wird,
Sexualität sowie Geschlecht hätte etwas mit einer "Geschlechtsidentität"
zu tun.
Eine "Geschlechtsidentität" bzw. "gender identity" gibt es aber nicht.
Ich will erklären, warum nicht. Es ist ganz einfach:
Jedes Coming Out ist eine persönliche Befreiung von äusseren geschlechtlichen Erwartungen und Normen.
Ein
Mensch, der sich sozial wie seine Genitalien verhalten soll - zumindest
wollen das ja stereotype Gesellschaften - erkennt: "da ist etwas
anders. Ich muss ehrlich zu mir und meiner Umwelt sein". Er befreit sich
von dem Glauben, dass die Genitalien oder andere Körpermerkmale immer
eine Aussage über Sexualität oder Geschlecht eines Menschen treffen.
Dass müssen sie nämlich nicht.
Ein Coming Out ist also der
Prozess der Selbstbewusstwerdung gegen äussere Widerstände. Zu diesen
Widerständen gehört eben das Konzept einer "Gender Identity". Das muss
deswegen so sein, da "gender" das soziale Geschlecht bedeutet und
"Geschlechtsidentität" etwas mit der Umwelt zu tun haben soll. Wenn ein
homosexueller oder ein transsexueller Mensch ein Coming Out erleben,
dann hat dies aber mit einem Sich-Annehmen, Sich-AKzeptieren und
Sich-Selbst-Bewusstwerden gegen soziale Zwänge zu tun.
"Gender
Identity" bzw. "Geschlechtsidentität" ist also ein Begriff, der nach wie
vor dazu genutzt wird, geschlechtliche Normabweichungen zu
psychopathologisieren. Die Begriffe stammen historisch von
Psycho-Medizinern und werden heute noch verwendet, wenn es um die
Verfügbarmachung von Geschlecht geht. Eine transsexuelle Frau wird von
der Psycho-Sexologie als "biologischer Mann" mit "weiblicher
Geschlechtsidentität" bezeichnet, um eine transsexuelle Frau nicht als
biologische Normvariante, eben als transsexuelle Frau anerkennen zu
müssen. Begriffe wie "Transgender" und "Transidentität" kommen der
Psychosexologie in ihrer psychopathologisierenden Sicht entgegen, da
beide auch davon ausgehen, dass ein Mensch sich wie ein anderer fühlen
oder zu einem anderen Menschen werden könne. Betrachtet man die Realität
ist beides Unsinn.
Ein Mensch ist, wer er ist.
Genau
aus diesem Grund sollte jeder Mensch, der sich aktiv für die
Anerkennung geschlechtlicher Normvarianten einsetzt, die ja in der Natur
existieren, aber in vielen Gesellschaften immer noch staatlich verfolgt
oder als nicht-existent definiert werden (eben auch in Deutschland),
kritisch mit den Thesen der Psycho-Sexologie auseinandersetzen, die von
einer "Geschlechtsidentität" sprechen. Denn "Geschlechtsidentität" ist
ein Begriff, der geschlechtliche Vielfalt unsichtbar machen will.
Achtung:
In alten Texten auf dieser Website ist auch von "Geschlechtsidentität"
die Rede. Damit war niemals eine soziale Geschlechtsidentität gemeint.
Mir war zum damaligen Zeitpunkt nicht klar, dass der Begriff mit einem
Weltbild verbunden ist, das geschlechtliche Vielfalt ablehnt. Ich bitte
darum, falls ihr über den Begriff stolpert, ihn mit "Wissen über das
eigene Geschlecht" zu übersetzen und immer daran zu denken, dass
"Geschlechtsidentität" genau DAS nicht heissen soll bzw. nicht heissen
kann. Der Begriff "Geschlechtsidentität" ist das Paradoxon, dessen
Un-Logik der Hauptgrund für die Pathologisierung geschlechtlicher
Normvarianten ist. Es ist deswegen ein Paradoxon, da ein Wissen über
sich selbst etwas anderes ist, als ein Wissen über den geschlechtlichen
Platz, den eine Gesellschaft für einen selbst zur Verfügung stellen
will.
Eine "Gender Identity" kann also NIE das Wissen eines Menschen über sein eigenes Geschlecht bedeuten. Daraus folgt, dass so etwas wie eine "Geschlechtsidentität" als solche nicht existieren kann.
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"Es sind noch viele Fragen ungeklärt, es ist noch weitere Forschung nötig" ist einer der Sätze, die weltweit dazu verwendet werden, Menschen ihr Recht auf ihr eigenes Geschlecht zu verwehren. Man könnte den Satz auch als "Solange noch Fragen offen sind, behandeln wir dich wie bisher" übersetzen, denn in der Realität bedeutet diese Aussage bei Menschen mit geschlechtlichen Variationen, die nicht in gesellschaftliche Klischeevorstellungen passen, dass weiterhin von Aussen zwangs- und fehlzugeordnet wird - frei nach dem Motto: Solange wir im Dunkeln tappen, hast Du kein Selbstbestimmungsrecht. Den Satz gibt es übrigens schon länger, spätestens seit dem John Money den Begriff "gender identity" ("Geschlechtsidentität") erfand. Eine "gender identity" aber gibt es nicht.
Natalie Shainess war Psychoanalytikerin in New York und schreib 1967 einen Artikel, den sie "The Evolution of Gender Identity" nannte. "Gender Identity" beschreibt sie in diesem Text als Produkt äusserer Einflüsse und meint zugleich, dass Transsexualität durch falsche Erziehung entstünde, ein transsexueller Mensch sei eine ziemlich verwirrte Person, ein psychotischer Mensch, der seine Realität mit Phantasien über sich selbst verwechselt. Im weiteren Verlauf des Artikels geht es um die Entwicklung einer "Gender Identity" von homosexuellen Menschen und welchen Einfluss die Kindheit auf Homosexualität hat.
John Money und Anke Ehrhardt (die bevor sie John Money in Baltimore traf und seine Assistentin wurde, u.a. auch an der Universität Hamburg ihr Diplom erhielt) meinten mit dem Begriff "Gender Identity" "sameness, unity, and persistence of one’s individuality as male, female, or ambivalent...the private experience of gender role." (Money J. Ehrhardt A. Man & woman, boy & girl. Baltimore (MD): John Hopkins University Press; 1972.). "Gender Identity" beinhaltete von Anfang an also den Bezug zur Gesellschaft, zu einer geschlechtlichen "Rolle". "Gender" so sagten sie, sei das Produkt von Lernen und Erfahrung. Ehrhardt war übrigens Präsidentin der International Academy of Sex Research, die Volkmar Sigusch und John Money 1973 gründeten, und deren offizielle Publikationsreihe "Archives of Sexual Behavior" zur Zeit von Kenneth Zucker herausgegeben wird (Zucker ist Vorsitzender der DSM-Group der APA, die versucht u.a. Intersexualität als "gender identity" disorder anzusehen und auch Transsexualität für eine psychische Störung hält). Anke Ehrhardt wurde von der "National Lesbian and Gay Health Foundation" von Nordamerika 1994 ein Preis verliehen. John Money wurde 2002 von der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung noch vor seinem Tod mit der Magnus-Hirschfeld-Medaille ausgezeichnet. Interessant, wenn man weiss, dass Genitalverstümmelungen von intersexuellen Kindern häufig noch mit Money und Ehrhard legitimiert werden.
Interessant ist nun auch, dass die Geschichte der sogenannten "gender identity" auch von Anfang an, immer in Zusammenhang mit Intersexualität auftaucht. Anke Ehrhardt selbst hatte in ihrer Laufbahn selbst mit intersexuellen Kindern zu tun. In einer Publikation von 1991 unter dem Titel "Interim Report of the DSM-IV Subcommittee on Gender Identity Disorders" finden sich dann u.a. auch Kenneth Zucker wieder, aber auch Heino Meyer-Bahlburg, zu dessen Spezialgebieten sowohl "Intersexualität" gehört, als auch "Gender Identity Disordes".
Mit "Gender Identity" liess sich also bislang eine ganze Menge legitimieren. Einerseits half der Begriff zwar homosexuellen Menschen scheinbar, den Makel der psychischen Störung abzustreifen (offiziell gilt seit 1973 Homosexualität nicht mehr als psychische Störung), dennoch gab es seit dieser Zeit eine neue Grundlage dafür Menschen ihre geschlechtliche Integrität abzusprechen, ob sie nun homosexuell, intersexuell oder transsexuell waren.
1. homosexuelle Menschen
Seit der Idee einer "Gender Identity" gilt Homosexualität als sexuelle Identität, die sich erst entwickelt hat und ihre Ursache in der Kindheit hat. Der Begriff "Gender Identity Disorders in Childhood" bezieht sich vorwiegend auf angebliche "prä-homosexuelle Kinder" (Begriff aus der Psychoanalyse). Reparative Therapien und Umpolungstherapien an Kindern basieren auf dieser Vorstellung, dass die Mehrheit der Kinder mit GID später homosexuelle Erwachsene würden (siehe: Green 1985, 1987; Zucker and Bradley, 1995). Homosexuelle Männer seien Männer, die sich "wie Frauen" benehmen, lesbische Frauen seien Frauen, die sich "wie Männer" verhielten. Dass ein "wie Frauen" und ein "wie Männer" lediglich auf Klischeevorstellungen basiert, nur am Rande.
2. intersexuelle Menschen
Die Verstümmelung von Menschen, die mit uneindeutigen Genitalien bzw. "uneindeutigen" geschlechtlichen Merkmalen geboren wurden, legitimierte man nun mit dem gesellschaftlichen Druck, den die Kinder abbekommen würden, würde man sie nicht operieren. Da eine "gender identity" ja Produkt der Erfahrungen in der Kindheit sei, so wird seitdem behauptet, könne diese "gender identity" gestört werden. Argumentiert wird hier u.a. mit Hänseleien durch andere Kinder. Würde man nun ein Kind geschlechtlich "vereindeutigen", so können man dem Kind eine normale, ungestörte "gender identity" ermöglichen. Im psychoanalytischen Fachsprech heisst so etwas dann ungestörte "psychosexuelle Entwicklung". Warum Genitalien an gesellschaftliche Vorstellungen angepasst werden müssen wurde also mit einer gesunden "gender identity" des Kindes beantwortet.
3. transsexuelle Menschen
Dass das biologische Geschlecht mehr als Genitalien, Hormone, usw. bedeutet und auch Abweichungen vorkommen, weiss man schon längst. Seit dem es "gender identity" gibt, kann man aber einem transsexuellen Menschen z.B. die Selbstaussage "ich bin eine Frau" zur psychischen Störung, Phanatsie, und Illusion erklären. Man tut so, als gäbe es ein eindeutiges biologisches Geschlecht (verschweigt dazu, dass man einige intersexuelle Menschen mit Messer und Schere dazu erst "vereindeutigen" musste) und sagt, dass transsexuelle Menschen von diesem eindeutigen "biologischen Geschlecht" psychisch abweichen. Ihre "Gender Identity" sei eben gestört.
Nimmt man alles zusammen, dann kann mit der Behauptung, transsexuelle Menschen seien "gender identity disordered" wunderbar die Verstümmelungen intersexueller Menschen rechtfertigen, schliesslich zeige sich ja, dass es Menschen gäbe, die eine krankhafte "psychosexuelle Entwicklung" durchliefen. Die "Vereindeutigung" intersexueller Menschen und die Verheimlichung ihrer Existenz kann gleichzeitig ganz prima dafür genutzt werden, ein heteronormatives Geschlechterbild (ein eindimensionales, das eine einzinge Linie zwischen Mann und Frau zieht) aufrecht zu erhalten, dass es so nicht gibt. Dies hilft einer inter- trans- und homophoben Gesellschaft, homosexuelle Menschen als "andersherum" anzusehen, was wiederum die Vorstellung unterstreicht, dass es Menschen gäbe, deren psychosexuelle Entwicklung dazu führe, sich "gegengeschlechtlich" zu verhalten, oder sogar "Geschlechtsumwandlungen" anzustreben. Ein Zirkelschluss, bei dem sich mensch fragen kann: wozu das Alles?
"Gender Identity" ist ein gescheitertes Konzept einer hetereonormativen Welt, die meint, es gäbe so etwas wie eine männliche oder weibliche Geschelchtsrollenidentität. Ohne klischeehafte Definitionen über "männliche" oder "weibliche" Rollen kann es keine "gender identity" geben - denn wenn es keine eindeutig "männlichen" oder "weiblichen" Geschlechtsrollen gibt, ist eine "gender identity" ziemlicher Unsinn. Oder umgekehrt: das Konzept der "gender identity" muss zwangsläugig das Konzept stereotyper Geschlechtsrollen mitschleppen, um sich selbst für seine Existenz rechtfertigen zu können.
Gleichzeitig ist das Konzept "gender identity" ein Machtinstrument, um geschlechtliche Zuweisungen vornehmen zu können. Gerade in Gesellschaften, in denen starre Geschlechterstereotype gepredigt werden, sind solche geschlechtlichen Zuweisungen häufig. Es ist höchste Zeit, die Ideen der John-Money-Ära kritisch zu hinterfragen.
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Es gibt keine Gender Identity |
Immer mehr komme ich zu der Überzeugung, dass es etwas wie "Gender Identity" nicht gibt. "Gender Identity" ist ein Wort, das 1966 von John Money am Johns Hopkins Hospital in Balitmore eingefürt wurde, um damit "Geschlechtsumwandlungen" erklärbar zu machen. Um meinen Gedankengang nachvollziehen zu können, braucht es noch eine kurze Beschreibung des Wortes "gender". Dieses wurde kurz zuvor ebenso von John Money als Unterscheidung zwischen dem biologischen Geschlecht (oder besser: biologisch behaupteten Geschlecht, aber dazu später mehr) und der sogenannten "Geschlechtsrolle" unterscheiden zu können ("gender" bezeichnete vorher lediglich das "grammatische" Geschlecht). Für viele Menschen mit Geschlechtsabweichungen begann in dieser Zeit eine Leidensgeschichte, die noch heute andauert.
"Gender Identity" (auf deutsch "Geschlechtsidentität") soll also heissen, dass ein Mensch so etwas hat, wie eine an der Geschlechtsrolle orientierten Identität.
Was diesen Gedanken zu falsch wie fatal für Menschen mit Geschlechtsabweichungen macht ist, dass mit diesem Gedanken eine jahrzehntelange und immer noch andauernde Geschlechterstereotypisierung begann und seitdem in der Natur vorkommende geschlechtliche Variationen diesen Stereotypen untergeordnet wurden.
In Wirklichkeit gibt es eine "Geschlechtsidentität" aus folgendem Grund nicht: Es gibt überhaupt keine objektiven Kriterien, an denen diese Identifikation festgemacht werden könnte, ausser Geschlechterstereotypen. Damit wird behauptet, dass es feste Merkmale gibt, wie eine "Frau" zu sein hat und was einen "Mann" ausmacht. Diese behaupteten Merkmale existieren in Wirklichkeit aber nicht - und schaut mensch sich in der Realität um, wird klar, dass die Abweichungen von diesen Mann/Frau Stereotypen die Regel sind. Die behauptete "gender idenity" kann also unabhängig von Geschlechterstereotypen nicht existieren.
Nun kann aber in Wirklichkeit damit auch keine "gender identity disorder" existieren, da eine "gender idenity" lediglich auf etwas nicht in der Realität vorkommendem basiert. Trotzdem wird seit dieser Zeit behauptet, dass diese psychische Störung existiert und hier eine angeblich "normale" von einer "unnormalen" Geschlechtsrollenidentität abgegrenzt. "Normal" wird diese "gender identity" erachtet, wenn sie - vorsicht, jetzt wird es spannend - genauso ausgebildet ist, wie das körperliche Geschlecht bzw. was aus diesem körperlichen Geschlecht erfolgt: nämlich eine Erziehung (nurture), die diesem körperlichen Geschlecht "normalerweise" folgt. Das sichtbar körperliche Geschlecht wird hier im übrigen, dieser Ideologie folgend, als "biologisch" behauptet, was in der Realität ausblendet, dass geschlechtliche Faktoren wie Chromosomen, Genitalien, Hormone, Körperbau, Gehirn, etc. alle voneinander abweichen können.
Diese Entwicklung, vom Körper über die Erziehung bis hin zur "gender identity" wird in Sexologenkreisen auch in Deutschland noch heute als wahr verkauft, obwohl diese Vorstellung nichts weiter als auf Geschlechterstereotypen basiert - ja sogar basieren muss, um überhaupt einen halbwegs logisch erscheinenden Sinn ergeben zu können (dass diese Ideologie trotzdem keinen Sinn macht erleben heute ja noch intersexuelle und transsexuelle Menschen täglich). Würde man nämlich zugeben, dass Geschlechterstereotype nichts mit der Realität zu tun haben, dann wäre schnell klar, dass es keine "normale" wie "atypische" "Geschlechtsidentitätsentwicklung" geben kann, sondern in jedem Fall immer nur eine individuelle.
Den Begriff "Geschlechtsidentität" hatte ich früher auch auf dieser Webseite verwendet. Ich bitte zu berücksichtigen, dass ich damit etwas völlig anderes gemeint hatte. Ich meinte damit das, wofür ich (auch dank Mithife von ein paar lieben Menschen) nun ein besseres Wort gefunden habe: "Geschlechtsbewusstsein". "Geschlechtsbewusstsein" ist das Wissen um die eigene Geschlechlichkeit. Bitte liebe Menschen, wenn ihr alte Texte von mir lest, dann denkt euch an dieser Stelle einfach, dass ich aus heutiger Sicht das eindeutigere Wort "Geschlechtsbewusstsein" verwenden würde.
"Geschlechtsbewusstsein" kommt ohne Geschlechterstereotypen aus. Es beschreibt, dass ein Mensch weiss, wer oder was er geschlechtlich ist. Oder um es auf Transsexualität zu beziehen: Transsexuelle Menschen existieren - auch ohne etwas wie eine "gender identity".
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Bei der Betrachtung von Themen, die mit zahlreichen Interpretationen, Thesen und Theorien überladen sind, wie das bei Transsexualität der Fall ist, lohnt es sicher immer, einen Versuch zu wagen, sich auf das was unstrittig ist zu reduzieren. Das kann helfen, "Realität" und "Phantasie" zu unterscheiden.
Es gab mal ein Lied von DAF, dessen Text ich dem ersten Konzept dieses Artikels voranstellen will.
Ich und ich im wirklichen Leben.
Ich und ich in der Wirklichkeit.
Ich und ich in der echten Welt.
Ich und ich.
Ich fuehle mich so seltsam.
Die Wirklichkeit kommt. Die Wirklichkeit kommt.
(DAF 1981)
Es gibt unterschiedliche psychologische Schulen, die sich (wie schon die alten Griechen) gefragt haben: Was ist das eigentlich, ein "Ich"? C.G. Jung, der Begründer der analytischen Psychologie (nicht zu verwechseln mit der Psychoanalyse, die Sigmund Freud einst erfunden hat) unterschied hier zwischen dem "Selbst" und dem Ich", das "Selbst" als Wesenskern des Menschen und dem "Ich" als Zentrum des Bewusstseins.
Zum Selbst:
"Im Zentrum seiner Persönlichkeitspsychologie steht das Selbst und die Individuation, die Entwicklung des Menschen auf ein erweitertes Bewusstsein, eine größere humanitäre Reife und soziale Verantwortlichkeit hin. Im Individuationsprozess soll der Mensch zu dem werden, der er von seinen Anlagen und Entwicklungsmöglichkeiten her ist."
(Quelle: C.G. Jung Institut Stuttgart)
Zum Ich:
"Der zentrale Begriff der menschlichen Psyche ist das Selbst. Dieses Selbst ist die Ganzheit der menschlichen Psyche und umfaßt bewußte und unbewußte Persönlichkeitsteile und strebt eine Harmonisierung der Psyche an. Bewußt ist lediglich das Ich-Bewußtsein und ist somit lediglich ein winziger Teil dessen, was die menschliche Persönlichkeit ausmacht."
(Quelle: Werner Stangls Arbeitsblätter)
Das "Selbst" des Menschen sei also der "natürliche" Teil des Menschen, das "Ich" der Teil, der sich in kulturellen und sozialen Kontexten bewegt, quasi die geistige "Kleidung" des Menschen.
Obwohl die Jungsche Weltanschauung auch nur eine Theorie ist, so erscheint sie mir zumindest als passend genug, um der Wirklichkeit ein Stück näher kommen zu können. Nur Geduld, ich werde später noch darauf kommen, dass auch die Jungsche Weltanschauung nicht nötig ist, um Transsexualität zu begreifen - ich werde nämlich jetzt erst einmal versuchen zwei neue Begriffe hinzuzufügen, um diese dann geschickt mit der analytischen Psychologie zu verbinden. Diese Begriffe nennen sich "sex" und "gender" und tauchten hier ja bereits schon öfters auf.
Sex:
"Sex" wird das biologische Geschlecht genannt. Das biologische Geschlecht wird zur Zeit noch über das Vorhandensein von entweder Ei oder Spermien definiert. Das "noch" in dem vorangegangenen Satz steht da deswegen, da ich diese Einteilung in seiner Absolutheit nicht als sinnvoll erachte. Alles das in der Wissenschaft "entdeckt" wird, jede Beobachtung die gemacht wird muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass dazu immer auch die Ausnahmen gehören. Im Jahr 2010 lag die Entdeckung der Spermatozoiden übrigens erst 333 Jahre zurück, die menschliche Ei-Zelle ist erst viel später entdeckt worden.
Nun ist bekannt, dass das so simpel erscheinende "sex" dann etwas komplexer wird, wenn mensch sich nicht nur auf Ei- und Samenzellen beschränkt, sondern auch andere Merkmale betrachtet. Gameten, Genitalien, Chromosomen, Hormone, Körperproportionen, usw. sind tatsächlich nicht immer "gleichgepolt" und können auch in allen Zwischentönen auftauchen. Berücksichtigt mensch, dass bereits bewiesen wurde, dass auch das menschliche Gehirn geschlechtliche Unterschiede aufweist, und es zugleich das wichtigste menschliche Organ darstellt, dann wäre der "sex"-Faktor der am wichtigsten ist, eben biologisch gesehen eindeutig das Gehirn des Menschen.
Das Gehirn wäre also die biologische Seite dessen, was Jung als "das Selbst" bezeichnet hat. Es ist das, was ist.
Gender:
"Gender" beschreibt in erster Linie die Geschlechtszuschreibung bzw. das "soziale Geschlecht" des Menschen. In den 70er-Jahren entwickelte John Money aus Baltimore die Theorie, dass dieses "soziale Geschlecht" das eigentlich entscheidende Geschlechtskriterium wäre und man einen Menschen nur richtig erziehen müsse, um ihm die eine oder andere "Geschlechtsidentität" zu ermöglichen. Unabhängig des biologischen "sex" wäre es (so die These) möglich, einen Mensch entweder in der einen oder in der anderen Geschlechtsrolle "Mann/Frau" zu erziehen.
Die Begriffe "Mann/Frau" die wir verwenden und als quasi "naturgegeben" betrachten, sind alles andere als dies: Vor ein paar hundert Jahren noch wurde mit "Frau" beispielsweise nicht jede Frau als "Frau" (frouwa) bezeichnet, sondern nur ein vermeintlich weiblicher Mensch gesellschaftlich höheren Ranges. Strengenommen kann daher ein Mensch auch nicht als "Frau" geboren werden (auch wenn ich das provokanterweise selbst so oft sage), sondern eine "Frau" wirst du per Zuordnung oder mittels Selbstzuordnung.
Die Selbst-Zuordnung wäre damit das, was Jung als "das Ich" bezeichnet hat. Es ist die Hülle, die Performance des eigenen Selbst.
Was ist nun Transsexualität in Wirklichkeit? Was in der Realität?
Der Begriff "Wirklichkeit" ist ein Wort, das von "wirken" kommt, also eine Handlung voraussetzt. Frau-Sein kann also eine Wirklichkeit sein, wenn eine "gender"-role wahrgenommen und gelebt wird. "Realität", oder Echtheit ist das, was auch ausserhalb des Denkens und unabhängig von Wünschen und Gefühlen existiert. Es existiert etwas, auch wenn wir uns diesem oft nicht bewusst sind. Existieren transsexuelle Menschen in der "Realität", sind sie "echt"?
Hier möchte ich nun den Bereich der Weltanschauungen verlassen und mich auf wesentliches im Zusammenhang mit Transsexualität beschränken. Folgende Aussagen können meiner Ansicht nach getroffen werden (da sie beweisbar sind):
1. Es gibt Menschen, die von sich sagen, dass sie sich mit der zugewiesenen Geschlechtsrolle (gender) falsch beschrieben sehen.
2. Es gibt Untersuchungen über Gehirne transsexueller Menschen, die zeigen, dass diese den Gehirnen der Gruppe der Menschen entsprechen, von der die untersuchten transsexuellen Menschen sagen, dass sie dieser Gruppe eigentlich angehören.
3. Es gibt nicht einen biologischen Geschlechtsfaktor, sondern viele. Welcher im Aussen als bestimmend gilt, ist kultur- und zeitabhängig - im Innen steht er fest.
Somit kann gesagt werden, dass transsexuelle Menschen echt sind (der Beweis ist ja längst erbracht worden) und in der Realität vorkommen. Ob sie allerdings in der Wirklichkeit existieren dürfen, hängt von der kulturellen Entwicklung unserer Gesellschaft ab, und nicht unwesentlich oder sogar vorallem vom Selbstbewusstsein transsexueller Menschen.
Was genauso gesagt werden kann ist, dass es zwar Menschen gibt, die unter ihrer zugewiesenen Geschlechtsrolle (gender) leiden, dass es aber niemals Menschen geben kann, die eine "gender incongruence" oder "gender variance" besitzen, da eben eine Abweichung zu einer Erfindung (gender) in Realität überhaupt keine ist. Und daraus abgeleitet kann es auch keine transgender-Menschen geben, auch wenn ein Mensch sich einer Gruppe zuordnen kann, die sich "transgender" nennt. Oder um es an einem Beispiel aufzuzeigen: Ich kann zwar als ein in Deutschland lebender Mensch sagen, ich bin "deutsch". Es wird aber kaum möglich sein zu sagen, ich bin ein "deutscher Mensch". Denn deutsche Menschen gibt es (genauso wie transgender-Menschen) in der Realität nicht (auch wenn das in dunklen Zeiten des vorherigen Jahrhunderts mal ein paar in Deutschland lebende Menschen anders propagiert hatten).
Demgegenüber existiert aber das Phänomen der geschlechtlichen biologischen Abweichungen. Will ich den Zustand eines Menschen beschreiben, dessen Gehirn z.B. eher "weiblich" ausgeprägt ist, der restliche Körper aber davon abweicht, dann kann ich ihn transsexuell nennen. Beziehe ich mich auf diese in der Natur vorkommende Geschlechtsvariante kann ich sagen: Es ist ein transsexueller Mensch.
Schlussfolgerung:
Der Emanzipationsschritt eines transsexuellen Menschen, sich die richtige Bezeichnung zu geben und damit selbst die richtige Zuschreibung einzufordern, lässt sich übrigens transgender nennen, da ja z.B. die Wortänderung von "Frau" zu "Mann" bzw. einer Fremd- zu einer Selbstzuweisung eine Änderung des gender-Markers bedeutet. Durch diesen kleinen "Reprint" (der dann z.B. bei einer transsexuellen Frau auch die Aussage "Ich bin eine Frau" zu einer richtigen macht) wird das Leben eines transsexuellen Menschen schlüssig. Derjenige, der "Transsexuell" und "Transgender" nur als Etikett für unterschiedliche Menschengruppen verwendet, macht also einen grossen Fehler, da beide Worte vielmehr unterschiedliche "Seiten der Medaille" dessen beschreiben, mit der wir als kulturell geformte aber auch biologisch existente Lebewesen tagtäglich umgehen müssen.
Letztendlich hat also etwas, das sich beispielsweise "trans-pride" nennen will, primär nichts damit zu tun, dass ein Mensch ein Recht auf körperliche Modifikationen hat (als Recht gibt es dies ja), sondern hat vielmehr lediglich damit zu tun, sich selbst die richtige Zuweisung zu geben und dafür auch von anderen anerkannt und respektiert zu werden. Diese selbstbewusste Aussage über das eigene, existente transsexuelle Selbst ist der Schlüssel für "alles, was danach kommt"; je deutliche die Aussage ist, desto deutlicher die Auswirkung, wie dieses Selbst erkannt und anerkannt wird. Genauso aber beschränkt eine starke Selbstaussage den Moment, der sich "transgender" nennt auf den kurzen Zeitraum der Phase des Outings, des "Reprintings" woraus sich wiederrum schlussfolgern lässt, dass Kulturen, und Zeiten in denen die Anerkennung transsexueller Menschen grösser ist, als in anderen, diese "transgender"-Phase auch kürzer sein wird, als in den anderen (diese Phase geht im Idealfall gegen Null) - die gesellschaftliche Akzeptanz einer existenten geschlechtlichen Vielfalt zeigt sich nämlich im Selbstverständnis, wie mit dieser Vielfalt umgegangen wird.
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Die Vereinnahmung transsexueller Menschen |
Lange Zeit war mir nicht klar, an was das liegt, dass transsexuelle Menschen ausgerechnet unter Weltvorstellungen einer Sexologie zu leiden haben, die zu grossen Teilen selbst von einer geschlechtlichen Minderheit angeführt wird: Den Homosexuellen. Mittlerweile sehe ich ein wenig klarer, warum das so ist. Es liegt wohl mit an der historischen Verleugnung eines sogenannten "gegengeschlechtlichen Verhaltens", dem Kompriss, den viele Schwule und Lesben einst eingegangen waren, um zu gesellschaftlicher Anerkennung zu kommen. Sylvia Rivera, die selbst als 17-jährige in New York den Stonewall Riot aktiv miterlebt hatte sagte dazu:
"Die Community hatte nicht vor, uns zu helfen. Sie war peinlich von den Tunten berührt, weil die Heterogesellschaft der Ansicht ist: 'Ein Schwuler kleidet sich im Fummel oder ist weibisch.' Aber du mußt sein, wer du bist. Als hetero durchgehen, ist, wie wenn eine hellhäutige schwarze Frau oder ein Mann als weiß durchgeht. Ich möchte nicht als jemand anders durchgehen. Ich hätte das nicht geschafft, nicht in diesem Leben. [...] In Wirklichkeit waren es nicht einmal die Männer, die die Drag Queens an den Rand drückten. Es waren die schwulen Frauen von dieser radikalen Gruppe [Lesbian Feminist Liberation]. Eine von ihnen war Jean O'Leary." (Quelle: gigi-x-berg)
Gender-Atypical Behaviour nannten die Sexologen-Päpste der 70er einst irgendwann einmal selbst , wenn ein Mensch sich nicht den herrschenden Geschlechterrollen anpassen will - das Problem dabei ist, dass sie damit transsexuelle Menschen in die Schublade steckten, in die sie selbst nicht gesteckt werden wollten.
Karl Heinrich Ulrichs, der 1825 in Ostfriesland geboren wurde, war laut Literatur einer der Vorkämpfer der Homosexuellenbewegung und brachte den Begriff "Urninge" ins Spiel, um damit ein "drittes Geschlecht" zu beschreiben. 1899 erschien im sogenannten "Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen", das vom wissenschaftlich-humanitären Comitee herausgegeben wurde, nach seinem Tod ein Briefwechsel zwischen Ulrichs und einer seiner Schwestern. So schreibt er am 28. November 1862 über den "Urning":
"Ihm ist vielmehr ausserdem auch noch ein sogen. weiblicher Habitus eigen, von Kindesbeinen an, der sich dokumentiert in Hang zu mädchenhaften Beschäftigungen, in Scheu vor den Beschäftigungen, Spielen, Raufereien, Schneeball- werfen der Knaben, in Manieren, in Gesten, in einer gewissen Weichheit des Charakters
[...]
Weiber in männlich gestalteten Körpern."
(Vergleiche auch: Ausführungen "gender identity disorder in childhood" im DSM IV bzw. in den Drafts zum DSM V)
Magnus Hirschfeld, der nach der Jahrhundertwende in Berlin ein sexualwissenschaftliches Institut errichtete und auch homosexuell war, war stark inspiriert von den Ideen Ulrichs, wenngleich er anfing zwischen Menschen zu unterscheiden, die, "gleich aus welchen Gründen, freiwillig Kleidung tragen, die üblicherweise von dem Geschlecht, dem sie körperlich zugeordnet sind, nicht getragen werden", die er Transvestiten nannte (heutige Entsprechung laut wikipedia: Transgender) und Transsexuellen. "Seelischen Transsexualismus" verstand er als Entgegengeschlechtlichkeit und verwendete diesen Begriff 1923 erstmals für Menschen, die angaben, sie seien mit den falschen körperlichen Geschlechtsmerkmalen geboren worden, in seinem Aufsatz "die intersexuelle Konstitution" (Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen 23).
Das "schwule Jugendmagazin dbna" schreibt auf seiner Website über die homosexuelle Bewegung der 20er-Jahre in Deutschland, dass zwar in Bars und Lokalen in Berlin damals Auftritte von "Transvestiten" zu dem damaligen Berlin wie heute die "gute Flasche Wein zu Alfred Biolek" gehörten, aber dennoch oft geächtet wurden:
"schliesslich wollte man sich als «normal» präsentieren und auf gar keinen Fall «weibisch» wirken."
1931 veröffentlichte der Schriftsteller Konrad Haemmerling (bekannt unter anderem als "Curt Moreck") einen "Führer durch das lasterhafte Berlin" und erwähnte in diesem Buch folgendes:
"Eine der entzückendsten und elegantesten Frauen, die im ganzen Saale anwesend sind, ist oft der zierliche Bob, und es gibt Männer genug, die in der Tiefe ihres Herzens bedauern, daß er kein Mädchen ist, daß die Natur sie durch einen Irrtum um eine deliziöse Geliebte betrogen hat."
Während der Nazizeit landeten viele Homosexuelle ebenso in den KZs wie auch transsexuelle Menschen. Die Nationalsozialisten unterschieden nicht zwischen den verschiedenen Gruppen, sondern transsexuelle Menschen wurden der Gruppe der "Transvestiten" zugerechnet (und alles in einen Topf geworfen). 1938 gab es die Empfehlung des Institutes für forensische Medizin (Quelle tdor), dass das "Phänomen des Transvestismus" aus "dem öffentlichen Leben getilgt" werden müsse und dazu "drakonische Massnahmen der Regierung" angebracht wären.
Der Historiker Olaf Mußmann zitiert in einem Gedenkstättenrundbrief (81 S. 37-41) aus einem Vortrag von Jürgen Müller:
"In der Regel seien exponierte, in der Öffentlichkeit wahrnehmbare oder mehrfach verurteilte Homosexuelle in die KZ eingewiesen worden. Unauffällig lebende Homosexuelle waren in nur geringem Maße von Einweisungen betroffen."
Der berüchtigten Paragraph 175, der Homosexualität unter Strafe stellte und in der Zeit des Nationalsozialismus noch verschärft worden war, existierte auch nach dem offiziellen Ende der braunen Jahre weiter, in etwas "abgemildeterer" Form bis 1994. Einer dieser Entschärfungen fand im Jahre 1969 statt. Dazu schrieb das Nachrichtenmagazin der Spiegel damals:
"Nach wie vor beharren fast alle Mediziner, Psychiater und Psychologen, die einer der psychoanalytischen Schulen nahestehen, auf dem Standpunkt, Homosexualität sei primär eine während der frühkindlichen Phase erworbene Eigenschaft - entweder eine Entwicklungshemmung oder etwa durch eine besondere elterliche Konstellation '"böse, kalte Mutter - guter, weicher Vater') hervorgerufen. Freilich gestehen auch die Tiefenpsychologen ein, daß angeborene Veranlagung dabei im Spiel sein könne.
Demgegenüber versteht eine andere, die sogenannte biogenetische Schule homosexuelle Veranlagung weitgehend als ein angeborenes Merkmal. Umweltfaktoren sind danach nur auslösendes Moment der Triebentwicklung. Für diese Annahme lassen sich in der Tat eindrucksvolle Forschungsergebnisse beibringen. Eine Untersuchung an 44 eineiigen Zwillingen (von denen viele getrennt aufwuchsen) ergab, daß alle Zwillingspaare in genau gleichem Maße homosexuelle oder heterosexuelle Neigungen zeigten (31 waren homo-, 13 bisexuell veranlagt)."
(Vergleiche dazu auch: Aufsatz von Sophinette Becker in "Sexuelle Identitäten", Thieme Verlag 2009)
In den Jahren der sogenannten "sexuellen Revolution" schafften es homosexuelle Menschen langsam, nicht mehr gesellschaftliche Aussenseiter zu sein, sondern wurden nach und nach in der bürgerlichen Mitte aufgenommen. Dass dazu manch Kompromiss nötig war, sollte sich später zeigen. Einer davon findet sich in eben dem Spiegel-Artikel (Ausgabe 20) aus dem Jahr 1969:
"Im Bewußtsein der Öffentlichkeit am ehesten gegenwärtig ist die Gruppe der betriebsamen Homosexuellen, deren betont auffälliges Verhalten oft von exhibitionistischen Neigungen mitbestimmt ist, oft aber auch, wie der Berliner Sexualforscher Hubert Bacia formuliert, eher 'als Karikatur' zu werten ist, die 'den Protest gegen die angenommene Rolle ausdrückt'."
Feminines Verhalten homosexueller Männer wurde auch damals ebenso wie in den 20ern in Clubs und Bars geduldet, doch in der Öffentlichkeit gemieden. Im Gegensatz zu homosexuellen Männern, die sich ab und an dem "Drag" hingeben, sah es in den 70ern plötzlich schlecht für transsexuelle Menschen aus. In der Nazizeit waren diese ja der Gruppe homosexueller Menschen zugerechnet, und man sollte meinen, dass die wilden 70er hier auch eine positive gesellschaftliche Veränderung für transsexuelle Menschen geben sollte. Doch schon folgte das nächste Denkste.
Auf Grund grosser Proteste damaliger Schwulen- und Lesbenorganisationen, wurde 1973 "Homosexualität" aus dem DSM, dem internationalen Buch der psychischen Störungen gestrichen - oder, um ganz genau zu sein: Angepasste Homosexualität, denn kurz darauf wurde nämlich der Begriff "gender identity disorder" in den DSM eingeführt. Geschlechtsrollen-untypisches Verhalten psychopathologisiert, Transvestiten und Transsexuelle von der Emanzipationsbewegung schwuler und lesbischer Menschen ausgeschlossen. Sylvia Rivera, trans-Aktivistin aus New York, die selbst den Stone-Wall-Riot (also den Aufstand gegen Polizeigewalt , an den heute noch auch die zahlreichen CSDs in vielen Städten Deutschlands erinnern) aktiv miterlebt hatte und selbst damalige Schwulenorganisationen mitgegründet hatte, bezeichnete dies später als den "Verrat".
In Deutschland war in dieser Zeit der homosexuelle Psychoanalytiker Volkmar Sigusch, der bis ins Jahr 2006 hinein das Frankfürter Institut für Sexualwissenschaft leitete, unterdessen stark involviert darin, die Politik von einem "Transsexuellengesetz" zu überzeugen, das dann tatsächlich 1980 in Deutschland verabschiedet wurde, im selben Jahr in dem dann "Geschlechtsidentitätsstörungen" im DSM auftauchten.
Sinngemäss galt seit dieser Zeit in Deutschland folgendes Recht: (siehe TSG und SoC) Wenn du als Frau leben willst, dann musst Du dich kastrieren lassen (Sigusch spricht von "Geschlechtsumwandlungen") und auch richtig konsequent die weibliche Frauenrolle erfüllen.
"Diagnostisch von entscheidender Bedeutung sind jedoch nicht irgendwelche Leitsymptome, sondern einerseits der so genannte Alltagstest der Betroffenen, also das Leben in der intendierten Geschlechtsrolle über eine längere Zeit, und andererseits die emotionale Gewissheit des Therapeuten, die sich unwillkürlich im Übertragungs- und Gegenübertragungsgeschehen einstellt: 'Das ist eine Frau' bzw. 'Das ist ein Mann'. "
(Sigusch in: Sexuelle Störungen und ihre Behandlung, Thieme Verlag)
Dass es sich bei transsexuellen Frauen um Frauen und bei transsexuellen Männern um Männer handelt, das wird in der Tat bis heute nicht anerkannt. Selbst im Jahr 2010 gelten beispielsweise transsexuelle Frauen immer noch als "(biologische) Männer, die in der Frauenrolle leben wollen" und werden keinesfalls als in der Natur vorkommenden geschlechtliche Variante betrachtet.
Eigentlich wollte ich ja ausführen, was ich für den Grund dafür halte, warum die Existenz transsexueller Frauen und Männer bis heute geleugnet wird: Es scheint mir u.a. die Angst homosexueller Männer vor der eigenen femininen Seite zu sein, die ja quasi seit je her in die Clubs und Bars verbannt wurde. Und wenn ein Mann feminin sein will, dann soll er sich doch bitte "umoperieren" lassen und "als Frau" leben. Auch feministische Lesben - also das, was Sylvia Rivera in den 70ern beobachtet hatte - haben selbst heute noch oft Probleme eine transsexuelle Frau als Frau anzuerkennen.
Transsexuelle Menschen kommen in diesem Spiel per se überhaupt nicht vor, da beispielsweise transsexuelle Frauen für die heutige Sexologie ja als "Männer mit dem Wunsch nach Geschlechtsumwandlung" gelten. Zwar glauben viele transsexuelle Menschen, dass es um sie ginge, wenn ihnen ein Sexologe Hormone verschreibt oder genitale Operationen ermöglicht - in Wirklichkeit ist das, über was sich transsexuelle Menschen freuen meist nichts weiter als ein Abfallprodukt eines auf sich selbst bezogenen psychischen Prozesses homosexueller Menschen, die immer noch darunter Leiden in einer homophoben Welt zu leben.
Genau aus diesem Grunde ist es meiner Ansicht nach nötig, sich als transsexueller Mensch zu emanzipieren. Denn wenn es möglich ist, dass transsexuelle Menschen als sie selbst wahrgenommen werden und auch rechtlich als sie selbst akzeptiert werden, dann ist es auch möglich, homosexuellen Menschen dabei zu helfen, gesellschaftlich nicht nur in der Hülle "hetereosexueller Verhaltensweisen" anerkannt zu sein, sondern eben vollständig und in der vollen Bandbreite. Nichts desto trotz ist es dafür aber umso wichtiger, dafür zu kämpfen, dass endlich anerkannt wird, dass transsexuelle Menschen überhaupt existieren. Und dazu ist es nötig, dass in erster Linie transsexuelle Menschen für ihre Rechte eintreten und sich nicht länger von homosexuellen Menschen als "Männer in Frauenkleidern" oder "Frauen, die in der Männerrolle leben wollen" bezeichnen lassen.
Es liegt an uns selbst, die Zeit der Vereinnahmungen und der Fremdzuordnungen zu beenden.
Vielfalt zu akzpetieren, heisst Vielfalt zu anzuerkennen.
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