Am 28. Februar 2007 fand in Berlin eine öffentliche Anhörung zur
Neufassung des Transsexuellengesetzes statt. Als Sachverständige wären
Maria Sabine Augstein (Rechtsanwältin, Tutzing), Manfred Bruns (LSVD
e.V. Köln), MR Dr. Thomas Meyer (Bundesministerium der Justiz, Berlin),
Dr. Konstanze Plett (Universität Bremen), Deborah Reinert
(Rechtsanwältin, Erftstadt), Christian Schenk (Berlin), und MR Dr.
Herbert Schmitz (Bundesministerium des Innern, Berlin) geladen.
Im Laufe des gut zweistündigen Gespräches waren zwei Haupschwerpunkte
herauszuhören: Zum einen die Ehe- bzw. Lebenspartnerschaftsproblematik.
Nach bisherigem TSG sind Ehepaare gezwungen, sich scheiden zu lassen um
dann eine Lebenspartnerschaft eintragen lassen zu können - eine
rechtlich schwierige Situation, da Ehen nach geltenem Recht nur
geschieden werden können, sollte die Ehe gescheitert sein - was so ja
nicht der Fall ist. O-Ton Bruns "Die wollen ja zusammenbleiben".
Dies sinnvoll zu regeln, war einer der vielen Punkte, in denen das
Bundesverfassungsgericht eine Überarbeitung des Transsexuellengesetzes
als dringend notwendig erachtete.
Ein zweiter Themenbereich beschäftigte sich mit der Frage, in wie weit
die Vornamens- bzw. Personenstandsänderungen zustande kommen sollen. Wo
Maria Sabine Augstein und Michael Bruns das ärztliche
Gutachterverfahren (wenn auch in reduzierter Form) zur Feststellung der
Geschlechtszugehörigkeit nicht grundsätzlich in Frage stellten,
plädierten vorallem Christian Schenk und Deborah Reinert dafür über
andere Modelle nachzudenken, wie z.B. der Nachweis eines
Beratungsscheines (Nachweis über die Schritte einer
Personenstandsänderung aufgeklärt worden zu sein): "Im
Zusammenhang mit der Personenstandsänderung ist in Anbetracht der im
Gesetz festgelegten Voraussetzungen eine Begutachtung überflüssig" (Schenk).
Einigkeit bestand bei allen darüber, daß die Personenstandsänderung
nicht mehr von körperlichen Maßnahmen (wie einer
geschlechtsangleichenden Operation) abhängig gemacht werden soll.
Zusammenfassung und Kommentar:
Obwohl wichtige Bereiche der Transsexuellenproblematik angesprochen
wurden, bliebt bisher eines noch völlig aussen vor: Das Urteil des
Verfassungsgerichtes vom 1978, welches besagt, daß das rechtliche(!)
Geschlecht eines Menschen in stärkerem Maße von der Psyche abhängt, als
von seinem Körper. Dieses Urteil ist bis heute nicht umgesetzt worden.
Von einer konsequenten Umsetzung dieses Urteilsspruchs hängt aber ab,
ob ein zukünftiges TSG auf Sand gebaut ist (und wieder auf dem Klageweg
schrittweise für nichtig erklärt werden kann) oder nicht.
Warum ist das so?
Durch die Vermischung von zwei Annahmen, die sich gegenteilig
ausschliessen (Körper oder Psyche geschlechtsbestimmend) und der
Verquickung von Medizin (körperliche Maßnahmen) und Recht (Anerkennung
als Rechtsperson), würde automatisch immer ein Paradoxon dabei
herauskommen. Und das führte dann als logische Folge dazu, daß jede
Regelung, die auf diesem Paradoxon basiert, angreifbar ist -
schließlich ist sie (wie das bisherige Verfahren nach TSG und F64.0) in
sich widersprüchlich (Hinweis: Ich bin schon an anderer Stelle auf die
TSG-F64.0-Paradoxie eingegangen).
Schauen wir uns an, was dabei herauskommen würde, wenn an der
bisherigen Formulierung des ICD-Codes F64.0 und dem Gutachterverfahren
festgehalten würde, aber ein Operationszwang zur Personenstandsänderung
wegfallen würde:
Beispiel: Eine transsexuelle Frau, die rechtlich bisher als Mann
angesehen wird (Personenstand) würde dann auf Grund eines
"transsexuellen Wunsches" (der Zwang dem anderen rechtlichen Geschlecht
anzugehören) dann die Möglichkeit erhalten, mittels eines Gutachtes,
auf welchem ihr(!) bescheinigt wird "transsexuell zu sein", ihren
Personenstand ändern zu lassen. Nun würde also der psychologische
Gutachter ausgehend von subjektiven Maßstäben prüfen, ob das Innere
eines Menschen (die körperlichen Maßstäbe würden dann ja wegfallen) nun
weiblich oder männlich ist - eine Entscheidung die ja nun kein Mensch
auf dieser Welt treffen kann. Dazu käme, daß diese Entscheidung sich
nicht etwa auf somatische Maßnahmen bezöge, sondern lediglich auf das
rechtliche Geschlecht eines transsexuellen Menschen.
Nun hat aber das Bundesverfassungsgericht 1978 bereits verkündet, daß
ein Mensch nun rechtlich z.B. nicht als Mann behandelt werden kann,
wenn das psychische Geschlecht weiblich ist. Dies führt nun zu der
Frage: Über welchen Menschen wird denn und überhaupt entschieden? Und
vorallem wovon ausgehend?
Hier mal zur Verdeutlichung:
Zeitpunkt 1 (Anfang):
Mensch hat ein weibliches psychisches Geschlecht - nach BVG darf dieser Mensch nun rechtlich nicht als Mann behandelt werden.
Zeitpunkt 2 (später):
Ein Gutachter trifft eine auf Recht bezogene Entscheidung über einen
Menschen, der ausgehend vom BVG-Urteil, rechtlich nicht als Mann
behandelt werden kann. Trotzdem basiert das Gutachten dann auf der
Annahme einen Mann zu behandeln - dies ist ein Paradoxon und ein
Verstoss gegen das Urteil des Jahres 1978.
Die Frage ist nun: Welche rechtliche Grundlage sollte so ein Verfahren
haben? Wer wird hier zu was? Was ist denn nun eigentlich
geschlechtsbestimmend?
In der logischen Folge können also nur zwei Szenarien wirklich zum Ziel
führen: Entweder man würde den Körper als geschlechtsbestimmend ansehen
(und somit auch gegen das Urteil von 1978 verstossen), was dann zur
Folge hätte, daß es überhaupt keine Möglichkeiten mehr geben würde für
transsexuelle Menschen (weder rechtlich noch medizinisch) oder - und
das scheint ja irgendwie logisch zu sein - man kommt zu einer Lösung,
die das Urteil von 1978 berücksichtigt und davon ausgeht, daß die
Psyche/das Gehirn geschlechtsbestimmend ist (was ja schon seit über 30
Jahren Stand der Wissenschaft ist).
Das führt nun automatisch dazu, daß - bei konsequenter Umsetzung - nur
einzige Möglichkeit übrig bleibt, das Transsexuellengesetz neu zu
Regeln: Die rechtliche Anerkennung auf dem Papier (Personenstand) muß
zwangsläufig von den medizinischen Schritten getrennt werden -
schließlich geht es hier ja auch um zwei völlig unterschiedliche
Sachverhalte.
Das hiesse dann:
Ein transsexueller Mensch muß - um überhaupt ein medizinsiches
Verfahren beginnen zu können, in welcher Rechtssicherheit für alle
Beteiligten herrscht - selbstständig seinen Personenstand ändern lassen
können (und zwar unabhängig äusserer Vorgaben - schließlich ist laut
BVG 1978 die Psyche geschlechtsbestimmend!).
Diese Position (und ein Vorschlag, wie ein TSG
geregelt sein könnte, welches das BVG-Urteil von 1978 berücksichtigt)
habe ich in Form mehrer Seiten Papier in Berlin an die oben
aufgeführten Sachverständigen übergeben (wie auch an mehrere
Bundestagsabgeordnete - u.a. Gabriele Fograscher, SPD).
Ausgehend davon, daß die Kernproblematik immer noch
nicht behandelt wurde, habe ich nun den Petitionsausschuß des
Bundestages erneut angeschrieben, sich meiner Petition anzunehmen.