Ich habe Post vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und
Information erhalten. In dem Schreiben heisst es, daß einer der
Hauptansprechpartner in Sachen ICD-Code F64.0 nun (wie vermutet) u.a.
die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung in Hamburg-Eppendorf ist,
und eine Änderung des ICD mit dem dortigen Insitut abgestimmt werden
müsste/sollte/könnte. So habe ich nun erneut die DGfS angeschrieben
(per Post und Mail), um eine Antwort zu erhalten (erneut deswegen, weil
ich bis heute von den Verantwortlichen noch keine sachliche
inhaltsbezogene Antwort erhalten habe). Per Mail ging dieser Brief u.a.
auch an Sophinette Becker (die sich ebenfalls bis heute nicht geäussert
hat), und für die Neufassung des TSG verantwortliche
Bundestagsmitglieder.
Hier der Inhalt:
Änderung des ICD-Codes F64.0 und des TSG
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie sie bereits wissen dürften, wird die Einteilung von
Transsexualität unter dem ICD-Code F64.0 und der Beschreibung
"Geschlechtsidentitätsstörung" von vielen Betroffenen als
diskriminierend abgelehnt. Das "Deutsches Institut für Medizinische
Dokumentation und Information", kurz DIMDI, teilte mir nun folgendes
mit:
Wie bereits in unserer Antwort- E-Mail vom 06.04.2006 dargelegt,
bitten Wir Sie, Ihr Anliegen mit den zuständigen Fachgesellschaften,
z.B. der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS), abzustimmen
und uns eine gemeinsame Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen
vorzulegen. Dies gewährleistet eine effiziente Problemerfassung und
dient der wissenschaftlichen Qualifizierung Ihres Vorschlages.
Nun gehe ich davon aus, daß der Text der DIMDI so zu verstehen ist, daß
die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung maßgeblichen Einfluß an
den Formulierungen des F64.0 hatte bzw. hat. Auch gehe ich davon aus,
daß die DGfS als ein Hauptansprechpartner in Sachen Gesetzgebung zu
sehen ist, wurde doch das Transsexuellengesetz von Anfang der 80er
genauso von der DGfS mitgestaltet, wie auch zahlreiche Stellungnahmen
zu Urteilen des Bundesverfassungsgerichts.
Um Ihnen die Notwendigkeit einer Überarbeitung des ICD aufzuzeigen, hier ein paar Argumente:
1978 entschied das Bundesverfassungsgericht (unter Zurhilfenahme von
Expertenkommentaren u.a. der DGfS), daß die Psyche eines Menschen "wenn nicht sogar in stärkerem Maße als die körperlichen Geschlechtsmerkmale"
für die Geschlechtseinteilung - Stichwort: Personenstand - bestimmend
ist. Trotzdem wurde in Zusammenarbeit mit ihrem Institut ein
Transsexuellengesetz entwickelt, daß die Geschlechtsbestimmung über den
Körper zur Grundlage hat, wird z.B. eine transsexuelle Frau während des
kompletten medizinischen Verfahrens als Mann behandelt, der den
"transsexuellen Wunsch" äussert, Frau "werden" zu wollen. Dies ist in
sich ein Paradoxon, da ja 1978 das Bundesverfassungsgericht ebenso -
unter Zurhilfenahme von Argumenten aus ihrem Hause - ausführte, daß ein
Mensch nicht gezwungen werden kann, als das Geschlecht behandelt zu
werden, dem dieser Mensch ausgehend seiner psychischen
Geschlechtlichkeit nicht angehört (begründet wurde dies mit einem
Verstoß gegen die Menschenwürde). Trotzdem entwickelte u.a. die DGfS
Behandlungskriterien, die genau hier gegen Menschenrecht verstoßen.
Richtig wäre doch nun zu einer Lösung zu kommen, die das Wissen des
Jahres 1978 in voller Konsequenz berücksichtigt. Die 30 Jahre alte
Erkenntnis muß doch ernstgenommen werden!
a) Die Psyche eines Menschen ist geschlechtsbestimmend
b) Kein Mensch hat das Recht einen anderen Menschen als das Geschlecht zu behandeln, dem dieser psychisch nicht angehört
Konsequent gedacht kann dies also nur folgendes heissen: Um überhaupt
ein rechtlich gesichertes medizinisches Verfahren erhalten zu können,
bedarf es einer Regelung, die einem transsexuellen Menschen ermöglicht,
selbst (und ohne Einfluss Dritter) über die geschlechtliche
Rechtexistenz seiner Person zu entscheiden, und dies unabhängig
körperlicher Maßnahmen, da ja nun nicht der Körper als
geschlechtsbestimmend angesehen werden kann, sondern (ausgehend vom
Urteil des Jahres 1978) eben die Psyche.
Da nun die DGfS sowohl Einfluss auf das juristische Verfahren hat (bzw.
auf die Gesetzgebung), als auch auf die medizinische Einteilung unter
F64.0 bitte ich sie nun darum, mir eine Antwort auf folgende Vorschläge
zu geben:
Vorschlag einer Neufassung der psychologischen Diagnosestellung "Transsexualität"
Folgende Codierung wäre weiterhin im Buchstabenbereich F angesiedelt:
"Der Wunsch, als Angehöriger des eigenen Geschlechtes anerkannt zu
leben. Dieser geht meist mit Unbehagen oder dem Gefühl der
Nichtzugehörigkeit zum eigenen Geschlecht einher***. Es besteht der
Wunsch nach chirurgischer und hormoneller Behandlung, um den eigenen
Körper dem eigenen Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen."
*** geschlechtliche Unsicherheit durch Vorhandensein körperlicher Abweichungen zum Rechtsgeschlecht
Die Codierung der körperlichen Schritte (Hormone, Operationen) erfolgt
dann ausgehend von dieser F-Diagnose durch kompetente Psychologen im
Bereich Q50-Q56: Angeborene Fehlbildungen der Genitalorgane.
Damit diese Diagnosen überhaupt gestellt werden können, bedarf es der
Schaffung eines Transsexuellengesetzes, welches den Urteilsspruch von
1978 berücksichtigt (etwas wozu der Gesetzgeber eigentlich verpflichtet
ist) - eben, daß kein Mensch dazu gezwungen werden kann, von einem
Dritten (eben auch keinem Mediziner und keiner Krankenkasse) als das
Geschlecht behandelt zu werden, dem dieser Mensch psychisch nicht
angehört:
Vorschlag für eine Neufassung des TSG (erste zwei Abschnitte)
zu finden unter folgendem Link: Drück mich!
Es wäre sicher hilfreich, auch im Zusammenhang mit den Problemen, vor
die Betroffene immer wieder gestellt werden (Kostenübernahmen,
Verfahrensverschleppungen durch den MDK, Abwehrhaltung von Psychologen,
Unverständnis bei Hausärzten, Verweigerungshaltung im
Personenstandsverfahren,...), wenn hier verantwortungsbewusst mit dem
umgegangen würde, was spätestens seit 30 Jahren bekannt sein dürfte -
daß es Menschen gibt, die eine körperliche Abweichung von ihrem
psychischen Geschlecht aufweisen - eine körperliche Abweichung der
Genitalien vom eigentlichen Geschlecht (schliesslich ist die Psyche ja
geschlechtsbestimmend, was selbst ihr Institut annehmen dürfte, da es
ja ansonsten überhaupt keiner Regelung für körperliche Maßnahmen im
Zusammenhang mit Transsexualität bedürfte!).
Ich möchte hier noch einmal das Schreiben der DIMDI zitieren:
"Die ICD-10 unterliegt einem weltweiten Abstimmungsprozess und ist
dementsprechend nur auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und im
weltweiten Konsens abänderbar."
Das Wissen darüber, daß die Psyche geschlechtsbestimmender ist als der
Körper, gibt es bereits seit mindestens 30 Jahren. Meinen Sie nicht, es
wäre da Zeit zu handeln und zu einer Gleichberechtigung transsexueller
Menschen zu kommen? Ich meine schon, und wünsche mir nun eine
ausführliche Stellungnahme zu meinem Anliegen aus ihrem Hause.
Vielen Dank.
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