Um herauszufinden, wer denn für die Erstellung des ICD F64.0
verantwortlich ist, bin ich erneut mit dem DIMDI, dem Deutschen
Institut für Medizinische Dokumentation und Information, welches die
ICD-Codes verwaltet, in Kontakt getreten und erhielt folgende Antwort
von Frau Dr. Ursula Küppers:
"Ich glaube, es ist nicht sinnvoll, die "Geschichte" des Kodes F64.0
aufarbeiten zu wollen. Außerdem müsste man dann noch viel weiter in die
Vergangenheit zurückgehen, denn einen entsprechenden ICD-Kode gab es
schon in der ICD-9 (verabschiedet 1975), der Vorgänger-Revision zur
ICD-10. In der ICD-9 gab es im Abschnitt "Psychiatrische Krankheiten"
den Kode "302.5 Transsexualität" mit der Definition "Eine sexuelle
Verhaltensabweichung, die von der fixierten Vorstellung getragen ist,
daß die erkennbare Geschlechtszugehörigkeit falsch sei. Das daraus
resultierende Verhalten ist entweder auf eine operative Veränderung der
Geschlechtsorgane gerichtet oder auf eine völlige Geheimhaltung des
eigenen körperlichen Geschlechts durch die Übernahme von Kleidung und
Verhalten des anderen Geschlechtes" (Zitat ICD-9).
Ich denke, es ist sinnvoller, in die Zukunft zu blicken und den Versuch
zu unternehmen, auf eine Änderung der bisherigen Anschauungen
hinzuwirken. Ich habe Ihr Anliegen so verstanden, dass Sie die
Zuordnung der Transsexualität zu den psychischen Erkrankungen für
falsch halten und diese Zuordnung ändern wollen. Dies kann jedoch nur
auf dem Weg über einen internationalen Konsens in den entsprechenden
Gremien (hier: in der WHO) versucht werden. Das DIMDI hat daher Ihr
Anliegen an die WHO weitergegeben und darum gebeten, die dort
zuständigen Gremien zu informieren."
Mal sehen, ob sich die WHO meldet - ich bin gespannt. Meine Antwort auf diese Mail war:
"Herzlichen Dank für ihre Mail und die Weiterleitung an die
entsprechenden WHO-Gremien. Wichtig ist allerdings, daß ich nicht nur
dafür kämpfe die Definition von Transsexualität als primär psychische
Störung aus dem ICD zu bekommen, sondern mich gleichzeitig dafür
einsetze, Transsexualität als sekundär psychische Störung für eine
Diagnosemöglichkeit zu erhalten. Ein transsexueller Mensch ist aus
meiner Sicht (nicht nur aus meiner) ein Mensch, der z.B. eine weibliche
Psyche besitzt und "männliche Genitalien". Daß die
Geschlechtseinteilung anhand der Psyche mehr wiegt, als die
körperlichen Merkmale hat das Bundesverfassungsgericht bereits vor 30
Jahren entschieden.
In der logischen Konsequenz für die Neuschaffung eines geeigneten ICD-Codes hiesse das:
Ein Mensch der transsexuell ist, ist mit gegengeschlechtlichen äusseren
"Geschlechtsmerkmalen" geboren und leidet psychisch unter diesem
Umstand. Dieser psychische Leidensdruck ist das, was anhand einer neu
zu schaffenden Diagnosestellung im ICD Mittelpunkt des Ansatzes sein
sollte.
Um dies zu erreichen hiesse das sowohl...
a) die Voraussetzungen dafür zu Schaffen, das medizinische und
rechtliche Verfahren zu trennen (eingeschlossen der Möglichkeit für
Betroffene unabhängig von medizinischen Maßnahmen oder Gutachten ihren
Personenstand ändern zu lassen)
als auch zeitgleich
b) eine Diagnosestellung zu erarbeiten, die es ermöglicht, Menschen,
die mit gegengeschlechtlichen "Geschlechtsmerkmalen" geboren wurden,
anhand psychischer Merkmale (Ausgehend von Untersuchungen durch
erfahrene Psychologen) ein körperliches Angleichungsverfahren zu
ermöglichen."
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