Die Antwort aus dem Kanzleramt ist da. Interessanterweise wird hier
werder auf das rechtliche Paradoxon eingegangen, noch habe ich den
Eindruck, daß die eigentliche Frage überhaupt erkannt wurde. Hier der
Text der Bundesregierung:
Sehr geehrte Frau Schicklang,
das Transsexuellengesetz von 1981 regelt rechtliche Fragen, die sich
aus dem von Ihnen angesprochenen Problem ergeben. Das Gesetz erkennt
an, dass die äußeren Geschlechtsmerkmale im Zeitpunkt der Geburt das
Geschlecht eines Menschen nicht uneingeschränkt bestimmen können. Das
Gesetz erkennt weiter an, dass das Streben von Menschen mit
transsexueller Prägung nach Übereinstimmung von Psyche und Physis
Ausdruck der höchstpersönlichen Suche nach der eigenen wahren Identität
ist. Der Gesetzgeber hat daher beschlossen, dass es mit der
Menschenwürde der Betroffenen nicht vereinbar ist, ihnen
entgegenzuhalten, dass das Geschlecht nach naturwissenschaftlichen
Kategorien unwandelbar sei.
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und anderer Gerichte haben die Regelungen des Transsexuellengesetzes konkretisiert.
Nähere Informationen zu den höchstrichterlichen Entscheidungen finden Sie unter:
1. Link
2. Link
Schließlich trägt das neue Passgesetz der Bundesregierung der
schwierigen Situation Transsexueller Rechnung. Danach können
Transsexuelle, die mindestens eine Vornamensänderung nach § 1 Abs. 3
Transsexuellengesetz (sog. kleine Lösung) vollzogen haben, einen Pass
erhalten, in den das Geschlecht eingetragen wird, dem sich der
Betroffene zugehörig fühlt.
Den durch den Bundestag bereits beschlossenen, aber noch nicht verkündeten Gesetzestext finden Sie unter:
Link zum Gesetzestext
Insofern wird die besondere Situation von Transsexuellen durch das deutsche Recht anerkannt.
Mit freundlichem Gruß
Damit kam nun zwar eine Antwort, nur leider keine, die sich inhaltlich
mit der Problematik auseinandersetzt. Ich hätte mir mehr ernsthaftes
Interesse gewünscht. Aber zumindest wird so klar, daß hier die
Betroffenen noch deutlicher und selbstbewusster ihre Interessen
vertreten müssen um auch vor dem Gesetz in ihrer Existenz anerkannt zu
werden... denn, wie soll es eine Verbesserung der Situation geben, wenn
den Ansprechpartnern noch nicht einmal das Anliegen klar ist und wenn
noch nicht einmal erkannt wird, was denn nun die eigentliche
Menschenrechtsproblematik ist, die daraus entsteht, wenn eine Frau
während eines medizinischen Verfahrens dazu gezwungen wird, sich als
psychisch kranker Mann zu verkaufen (oder ein Mann als psychisch kranke
Frau), bloss weil die Genitalien einmal zu einer falschen
Geschlechtsbestimmung geführt haben? Die Ignoranz gegenüber der
Problematik ist das eigentliche Menschenrechtsverbrechen, sie ist der
Auslöser für medizinische Fehlbehandlungen und öffentliche
Diskriminierung. Und Menschen, die es nicht geben soll, können, da es
sie ja nicht gibt, sich noch nicht einmal auf das
Antidiskriminierungsgesetz berufen. Das Glück haben höchstens die, die
als rechtsgültige Person existieren.
Hier noch Kommentare zu dem Antworttext:
a) "dass das Geschlecht nach naturwissenschaftlichen
Kategorien unwandelbar sei"
Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist zwar das äussere
Geschlecht eines Menschen in gewissem Maße wandelbar, nicht jedoch das
gehirnbestimmte Geburtsgeschlecht. Eine transsexuelle Frau besitzt z.B.
ein weibliches Gehirn, ist also von Geburt an Frau, wurde aber auf
Grund des Vorhandenseins eines "männlichen" Genitals dem männlichen
Geschlecht zugeordnet. Damit ist die Aussage der Wandelbarkeit zwar
eine, die gerne von Psychoanalytikern vertreten wird, sie ist aber
bezogen auf das eigentliche Geschlecht eines Menschen falsch
(vergleiche hier auch: Der Fall Reimer) und durch zahlreiche Studien widerlegt (siehe auch hier: klick).
b) "das Geschlecht ..., dem sich der
Betroffene zugehörig fühlt."
In der Tat ist es so, daß hier nicht das Zugehörigkeitsgefühl alleinig
entscheidend ist, sondern die Summe aller Gedanken und Gefühle, die den
Menschen als Persönlichkeit ausmachen. In der Realität ist es so, daß
z.B. eine transsexuelle Frau nicht darunter leidet, sich "weiblich"
oder dem "weiblichen Geschlecht" zugehörig zu fühlen (geht es ihr doch
wie jeder anderen Frau), sondern unter der Abweichung ihrer
Fortpflanzungsorgane zu ihrem Geburtsgeschlecht.
|