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Home Blog 21.10.2007
Ein Jahr ist nun bereits vergangen, und noch immer gibt es keine
offizielle Reaktion auf das notariell beglaubigte Schreiben von vor
einem Jahr, welches an die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung
geschickt wurde. Wie lässt sich so ein Tag feiern? Lässt er sich
überhaupt feiern? Wer feiert mit wem? Und was soll gefeiert werden? Die
Nicht-Antworten? Gut. Wird so gemacht. Der Inhalt des 24. Oktobers ist:
Ein Tag Urlaub von der Thematik. Für einen Tag so tun, als ob es das
ICD-TSG-Paradoxon gar nicht gäbe... 24 Stunden freimachen davon,
transsexuell zu sein. Sonne, Palmen, und: Der erste Gender Ignorance
Day!
Am 24. Oktober wird der erste GID gefeiert - der erste Gender Ignorance Day
(aus Erinnerung an die öffentliche Ignoranz gegenüber dem eigentlichen Geburtsgeschlecht transsexueller Menschen)
Fast 40 Jahre ist es nun her, als in New York der sogenannte
"Stonewall-Riot" stattfand, ein Tag, der seitdem einen Meilenstein in
der Bürgerrechtsbewegung der Lesben und Schwulen weltweit darstellt.
Das Geschehen in der Christopher Street Day am 28. Juni 1969 ist
seitdem ein Synonym für ein homosexuelles Selbstbewusstsein - eines, in
dem es darum ging, sich von dem von Aussen aufgedrängten falschen
Schuldbewusstsein zu befreien, welches auf einem
menschenrechtsverachtenden Weltbild beruhte, das annahm Schwul- oder
Lesbischsein wäre widernatürlich und abartig. Gestützt wurde dieses
erzkonservative und gegen jede wissenschaftliche Logik gerichtete
Weltbild bis dahin unter anderem von Medizinern - insbesondere aus dem
Bereich der Psychoanalyse - die das Enstehen von Homosexualität mit
falscher Erziehung, Kindheitstraumatas und der Kompensation anderer
psychischer Störungen erklären wollten. Die damaligen Theorien, die
homosexuellen Menschen ihre Naturgegebenheit absprechen wollten,
konnten mittlerweile wiederlegt werden - nicht zuletzt durch das
selbstbewusste Auftreten der Schwulen und Lesben nach Junitag des
Jahres 1969.
Vier Jahrzehnte später ist es nun an der Zeit, ein ähnliches
Selbstbewusstsein zu zeigen - sind dieselben erzkonservativen und
nicht-haltbaren Geschlechts-Theorien nämlich woanders weiterhin
vorhanden. Diesmal aber sind es die Menschen, die mit
gegengeschlechtlichen Organen geboren wurden, deren Existenzrecht bis
heute verwehrt wird und die darunter zu leiden haben, dass man Ihnen
ihr Menschenrecht nicht anerkennt. Man nennt diese Menschen
transsexuell.
Es gibt Mädchen, die mit einem Penis geboren werden und Jungs mit einer Gebärmutter.
Dieses sollte eigentlich spätestens seit den 60er-Jahren bekannt sein,
als Harry Benjamin (Pionier auf dem Bereich der Behandlung
transsexueller Menschen) in seinem Buch "The Transsexual Phenomenon"
(1966) schrieb „Der dominierende Status der Genitalien für die
Geschlechtsbestimmung ist mindestens in der Welt der Wissenschaft in
Frage gestellt worden.“. Untersuchungen aus der Humangenetik (Eric
Vilain, Los Angeles) und der Gehirnforschung (Dick Swaab, Amsterdam),
die seit Mitte der 90er-Jahre vorliegen bestätigen diese Aussage
Benjamins. Es gibt eine wissenschaftlich höhere Wahrscheinlichkeit,
dass Menschen existieren, deren Genitalien bzw. Chromosomen von ihren
eigentlichen gehirnbestimmten/psychischen Geburtsgeschlecht abweichen,
als dass sie nicht existieren - oder besser: Die Eindeutigkeit der
Geschlechtsbestimmung über die Genitalien und Chromosomen ist bereits
widerlegt worden.
Trotzdem wird vorallem in Deutschland von konservativen
sexualwissenschaftlich arbeitenden Medizinern abgestritten, dass es
diese Menschen gibt.
So werden beispielsweise transsexuelle Frauen, die als Mädchen mit
Penis geboren wurden, weiterhin von diesen Ewiggestrigen als Jungs bzw.
Männer angesehen, die von einer "Geschlechtsidentitätsstörung"
betroffen sind - Menschen männlichen Geschlechts, die deswegen gestört
sein sollen, weil sich ihre Geschlechtsidentität nicht so entwickelt
hat, wie es die Genitalien eigentlich vorgegeben hätten. So spricht
u.a. ein bis dato einflussreicher Experte der Sexologie hier von
"Männern, die sich als Frauen erleben und Frauen, die sich als Männer
erleben", völlig unter Missachtung dessen, was ja spätestens seit 1966
klar sein sollte - dass eben die Genitalien nicht geschlechtsbestimmend
sind, genausowenig wie die Chromosomen hier eine Eindeutige Einordnung
möglich machen.
Dies Missachtung dessen, dass Menschen mit gegengeschlchtlichen
körperlichen Abweichungen geboren sein können, findet sich bis heute im
sogenannten "Transsexuellengesetz" wieder.
Zwar basiert das Gesetz von 1980 auf einem vorausgegangenen Urteil
(Bundesverfassungsgericht 1978), dass der Körper eben im Zweifelsfall
eben nicht geschlechtsbestimmend wäre, trotzdem wird bis heute die
geschlechtliche Zuordnung über die körperliche Annäherung an das
"Gegengeschlecht" - welches ja eigentlich nie das Gegengeschlecht war -
vorgenommen. Die rechtliche Grauzone und Paradoxie, die sich in diesem
Verfahren verbirgt ist bis heute Grund dafür, dass einerseits
Nichtbetroffene in ein für sie verheerendes medizinisches Verfahren
gestürzt werden können, in dem sie sich körperlich zu irreversiblen
chirurgischen Massnahmen drängen lassen, und andererseits tatsächlich
betroffene transsexuelle Menschen einem russischen Roulette
ausgeliefert sind, und hoffen können, dass sie mit Glück überhaupt eine
vernünftige medizinische Behandlung erhalten.
Seit einem Jahr ist dem grössten sexualwissenschaftlichen Institut in
Deutschland die Paradoxie bekannt, sie wird aber weiterhin verbreitet.
Dass die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Behandlung
transsexueller Menschen grösstenteils auf der Paradoxie basieren, mal
das eine und mal das andere als geschlechtsbestimmend anzunehmen, ist
spätestens seit dem 24. Oktober 2006 bekannt. Ein notariell
beglaubigtes schriftliches Werk, das auf die Verantwortung hinweist,
medizinische sowie gesetzliche Neuregelungen zu finden, die nicht
geltendes Menschenrecht verletzen, wurde der Deutschen Gesellschaft für
Sexualforschung an diesem Tag übergeben - eine Antwort oder ein
erkennbarer Wille, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen, fehlt
bis heute - obwohl es zahlreiche tatsächlich Betroffene gibt, die sich
für eine Reform der rechtlichen sowie medizinischen Regelungen stark
machen. Zirka 95 Prozent einer Umfrage, die von Menschenrecht und
Transsexualität durchgeführt wurde, begrüssen eine Reform. Das
entspricht in etwa der geschätzend Prozehntzahl der
Sexualwissenschaftler, die sich den Vorschlägen, die auch seit einen
knappen Jahr vorhanden sind, weiterhin verweigern. Im Kern geht es bei
den Vorschlägen um folgendes:
a) Die rechtliche Anerkennung von Menschen, die von der körperlichen
Behinderung betroffen sind mit gegengeschlechtlichen körperlichen
Merkmalen geboren worden zu sein
b) Eine Verbesserung der medizinischen Betreuung durch Ausbau der körperlichen Korrekturen
c) Eine Änderung des unachtsamen Umgangs mit Personalpronomen in der Öffentlichkeit und gegenüber Medienvertretern
Da es nun Zeit ist für ein transsexuelles Selbstbewusstsein - dem
Wissen darum, dass es zur Natur gehören ist, dass auch Mädchen mit
einem Penis geboren werden können, und Jungs mit einer Gebärmutter -
bietet sich der 24. Oktober 2007 als Termin für ein einjähriges
Jubiläum an. Ein Jubiläum das traurig stimmen kann, gleichzeitig aber
auch dazu gut sein kann, zu wissen, dass auch andere Betroffene sich
darüber im Klaren sind, dass echte Transsexualität keine psychische
Störung ist, sondern eine körperliche Abweichung zum Geburtsgeschlecht.
Im Unterschied zum CSD geht es beim nun zum ersten mal staffindenden
GID (Gender Ignorance Day) 2007 nicht um das organisierte Feiern auf
einer öffentlichen Strasse, sondern um die Besinnung auf das
eigentliche geschlechtliche Selbst und der Loslösung vom Etikett
"Transe", das in der Öffentlichkeit gerne mit dieser Behinderung in
Verbindung gebracht wird. Letztendlich sind transsexuelle Frauen und
Männer nämlich auch nur gebürtige Frauen und Männer mit einer
körperlichen Abweichung. Für den ersten GID überhaupt ist das Motto
daher "Keine Transe für einen Tag" - sozusagen das Vergessen um die
Problematik für 24 Stunden, ein selbstbewusstes, individuell
gestaltetes: Ich bin, wer ich bin!
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