Heute habe ich einen Telefonanruf des Petitionsausschusses des
Deutschen Bundestages erhalten. Wenn ich den Namen richtig verstanden
habe müsste der Herr am anderen eine der Leitung Andreas Christoph
gewesen sein. Er äusserte sich zu der Petition, die ich im letzten Jahr
eingereicht hatte:
In dieser Petition war meine Bitte gewesen, die Erkenntnis des Jahres
1978 zu berücksichtigen, die das Bundesverfassungsgericht in einem
Urteil (1 BvR 16/72) aufgeführt hatte, dass die Psyche/Gehirn für die
Einteilung der Geschlechter stärker zu berücksichtigen sei, als die
körperlichen Merkmale, und dies meiner Ansicht nach auch während des
medizinischen Verfahrens gelten muss. In logischer Konsequent hiesse
das, dass der Gesetzgeber eigentlich gesetzliche Regelungen finden
muss, in denen gewährleistet ist, dass z.B. eine transsexuelle Frau
schon zu Beginn des medizinischen Angleichungsverfahrens
(Wiederherstellung gegengeschlechtlich ausgebildeter Körpermerkmale
durch Hormone und Chirurgie) personenstandsrechtlich als Frau behandelt
wird und sie z.B. die Möglichkeit erhält in den Unterlagen der
beteiligten Menschen (Krankenkassen, Mediziner, Behörden) als Frau
geführt zu werden, um die nötige Sicherheit während der Behandlung zu
gewährleisten.
"Es müsse aber heute als gesicherte medizinische Erkenntnis
angesehen werden, daß die Geschlechtlichkeit eines Menschen nicht
allein durch die Beschaffenheit der Geschlechtsorgane und -merkmale
bestimmt werde, sondern auch durch die Psyche. Die Rechtsordnung dürfe
diese Gegebenheiten nicht unberücksichtigt lassen, weil sie in
gleichem, wenn nicht sogar in stärkerem Maße als die körperlichen
Geschlechtsmerkmale die Fähigkeiten des Menschen zur Einordnung in die
sozialen Funktionen der Geschlechter bestimmten und weil Gegenstand der
auf das Geschlecht abstellenden Rechtsnormen eben diese sozialen
Funktionen seien."
Die bisherigen Regelungen des Transsexuellengesetzes stehen hier im
Widerspruch zu der Erkenntnis von 1978, obwohl das Transsexuellengesetz
ja berücksichtigen wollte, dass die Psyche/Gehirn im Zweifelsfall als
geschlechtsbestimmender anzunehmen ist (dies war ja nun auch der Grund,
warum es das TSG überhaupt gibt) - wird eine transsexuelle Frau bis zum
Abschluss des Verfahrens personenstandsrechtlich als Mann behandelt.
Dies wird damit begründet, dass Transsexualität den Wunsch darstellt
"dem Gegengeschlecht" anzugehören. Nun ist, wie schon seit über einem
Jahr hier auf dieser Seite aufgeführt, ja genau diese Aussage paradox,
da die Psyche/Gehirn ja bereits vom Bundesverfassungsgericht als
geschlechtsbestimmender aufgeführt wurde als der Körper und somit
transsexuelle Menschen (ausgehend von der Erkenntnis von 1978) nicht
dem Gegengeschlecht angehören wollen sondern ihrem (psychischen,
geschlechtsbestimmenderen... wörtlich "wenn nicht sogar in stärkerem Maße als die körperlichen Geschlechtsmerkmale") eigenen.
In logischer Konsequenz kann also das bisher in das TSG eingebundene
psychologische Gutachterverfahren, in welchem ebenfalls
fälschlicherweise von der Körperbestimmtheit von Geschlecht ausgegangen
wird (Mann der sein Geschlecht wechseln will, "Transsexueller Wunsch",
... usw) ebenso als Verstoss gegen die Urteilsbegründung von 1978
angesehen werden, da hier ja nun Menschen gegen ihren Willen für die
Diagnosestellung dem Geschlecht zugeordnet werden, dem sie von ihrer
Psyche (ihrem Gehirn) nicht angehören. Deswegen ist als weitere
logische Folge in einer Neufassung des Transsexuellengesetzes nur eines
möglich, will man ein Gesetz, das sich an Menschenrecht hält: Die
Streichung sowohl des psychologischen Gutachterverfahrens, als auch des
Zwangs körperlicher Massnahmen, wie sie im TSG bislang gefordert
werden. Erst damit wird dem Rechnung getragen, was seit Jahren bekannt
ist, bisher aber insbesondere von konservativen Psychoanalytikern
abgestritten wird - nämlich, dass es Frauen und Männer gibt, die mit
gegengeschlechtlichen körperlichen Merkmalen geboren werden und genau
darunter leiden.
Der Gesetzentwurf der Grünen
allerdings, um zum eigentlichen Thema dieses Postings zurückzukommen,
beinhaltet immer noch ein psychologisches Gutachterverfahren und
berücksichtigt damit nicht, dass die Psyche/Gehirn
geschlechtsbestimmender sind als die körperlichen Merkmale - was
bedeutet, dass dieser Gesetzesantrag ebenso gegen die Erkenntnis von
1978 verstösst. Da nun die Grünen fordern den OP-Zwang zu streichen
aber gleichzeitig an dem psychologischen Gutachterverfahren festhalten,
wäre die Situation - nach diesen Überlegungen der Grünen - für die
Betroffenen noch schlimmer als heute, würden z.B. transsexuelle Frauen
im Prozess der medizinischen Behandlung weiterhin als Männer behandelt
werden (als Voraussetzung für die Diagnose
"Geschlechtsidentitätsstörung"), da aber nun geschlechtsangleichende
Massnahmen wie die GaOP nicht mehr notwendig wären, würde hiermit die
Kostenübernahmepflicht der Krankenkassen auf der Kippe stehen.
Menschen, die davon betroffen sind, dass ihre körperlichen Merkmale
stellenweise von ihrem Geburtsgeschlecht abweichen, wären dann nicht
nur nicht genausowenig anerkannt wie heute, sondern müssten dann auch
noch auf medizinische Massnahmen verzichten, da die Krankenkassen sich
aus der Verantwortung stehlen könnten.
Daher war meine Forderung in dieser Petition, dass, um der Erkenntnis
Rechnung zu tragen, dass es eben tatsächlich Menschen gibt, deren
körperliche Merkmale stellenweise von ihren Geburtsgeschlecht
abweichen, ein Gesetz geschaffen wird, in dem diese Menschen in ihrer
Existenz anerkannt werden. Und dies geht aus meiner Sicht nur, indem
die personenstandsrechtliche Anerkennung vom medizinischen Verfahren
getrennt wird - und zwar so konsequent wie möglich, damit hinterher
eine transsexuelle Frau auch wirklich und komplett als Frau in den
verschiedensten Datensätzen auftaucht (Krankenkassen, Mediziner,
Behörden) und nicht als ehemaliger Mann, der sie ja nie gewesen ist. In
dieser konsequenten Umsetzung liegt die rechtliche und medizinische
Sicherheit. Eine Frau, die einen Penis hat, mag es nämlich geben, aber
die wenigsten Frauen, die davon betroffen sind, sind wohl psychisch in
der Lage mit dieser Körperbehinderung zu leben. Dass das psychische
Leiden hier auch körperliche Massnahmen notwendig machen kann, ist ja
wohl seit Jahrzehnten bekannt, so dass die Kostenübernahmen bei einer
echten Anerkennung, so wie ich sie mir vorstelle, gewährleistet sind -
einer Frau zu sagen "Ja, dann leben sie doch mit ihrem Penis" ist dann
als menschenverachtende Aussage geoutet. Heute, nach bisherigem TSG,
muss sich eine Frau im Zweifelsfall nicht nur diese Aussage gefallen
lassen, sondern sie hat noch nicht einmal das Recht zu sagen, dass sie
eine Frau ist, obwohl sie als Frau geboren wurde.
Die Vorschläge
, wie sie dem Petitionsausschuss vorliegen, und somit eben auch dem
Innenministerium sind hier auf mut23.org aufgeführt. In Kurzform möchte
ich sie nocheinmal wiederholen:
a) Streichung des psychologischen Gutachterverfahrens und des Zwangs zu jeglichen körperlichen Massnahmen aus dem TSG
b) Einführung einer neuen Diagnosestellung im ICD, sinngemäss "Leiden unter gegengeschlechtlichen körperlichen Merkmalen"