Basierend auf realen Vorkommnissen, die sich am ehesten als grobe
Machtmissbräuche bei der bisherigen TSG-Gutachtenpraxis bezeichnen
lassen (Zwang zum Entblössen, sexuelle Nötigung durch den Gutachter,
u.ä.), hatte ich Mitte März alle deutschen Landesärztekammern
angeschrieben um beantwortet zu bekommen, nach welchen Kriterien und
Standards die psychiatrischen Gutachter arbeiten und wollte wissen, ob
irgendjemand kontrolliert, was denn da hinter verschossenen Türen beim
Begutachtungstermin alles abläuft. Nun über einen Monat später, denke
ich, ist es Zeit hier einmal aufzulisten, welche Ärztekammer hier wie
geantwortet hat. Um es vorweg zu nehmen: Eine wirkliche Antwort gab es
von keiner einzigen.
1. Ärztekammer Niedersachen
(eine Weiterleitung einer Mail von Susanne Passow an den Pressesprecher
Rolf Heyde, der sich allerdings nie gemeldet hat am 17. März):
"ich kann zu den Fragen aus rechtlicher Sicht nicht Stellung nehmen
und würde deshalb nur an die BÄK verweisen. Da es sich hier aber wohl
eher um eine "politische" Frage handelt, wäre ich Ihnen dankbar, wenn
Sie erst einmal einen Blick darauf werfen könnten. Denn ich weiß nicht,
inwieweit eine solche Antwort gleich in der Öffentlichkeit
'ausgeschlachtet' wird."
Interessant ist zudem, dass die Bundesärztekammer (BÄK) mich vorher an
die Landesärztekammern verwiesen hat. Einen Tag später schreibt Frau
Passow:
"Ich bin im Rahmen der Berufsaufsicht tätig und nehme jeweils eine
Einzelfallprüfung vor. Ich kann keine rechtlichen Pauschalaussagen
treffen, die aus dem Zusammenhang des Einzelfalls gerissen sind. Für
die hierfür notwendigen Ermittlungen muss mir der Sachverhalt im
Einzelnen geschildert werden..."
Und wenn das Verfahren an sich überprüfenswert wäre? Was dann? Ja, es
gibt um die Frage: Wer legt die Standards fest, nach denen begutachtet
wird?
2. Sächsische Landesärztekammer
(Knut Köhler in einer Mail vom 18. März)
"zu den von Ihnen aufgeworfenen Problem sind wir nicht der richtige
Ansprechpartner. Ich werde mich bemühen, Ihnen noch einen Kontakt zu
vermitteln."
Interessant wäre: Bemüht er sich noch immer? Eine weitere Mail kam bisher nämlich nicht - daher auch kein Ansprechpartner.
3. Ärztekammer Nordrhein
(Nadja Rößner in einer Mail vom 18. März)
"wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir aus Gründen mangelnder
Zuständigkeit wie auch der Komplexität Ihre Anfrage nicht schriftlich
beantworten können."
Hier gibt es wohl noch Möglichkeiten, zumindest telefonisch. Mal sehen, was da noch kommen mag.
4. Ärztekammer Baden-Württemberg
(Mail vom 25. März, Gaby Wolf)
"bezugnehmend auf Ihre E-Mail-Anfrage vom 16.03.08 darf ich Ihnen im
Auftrag von Frau Hespeler mitteilen, dass wir Ihre Anfrage von hieraus
leider nicht beantworten können."
Sie gab mir dann aber immerhin den Tipp mich an die
Landespsychotherapeutenkammer zu wenden. Nur was soll das bringen?
Aussagen zur freiwilligen Selbstkontrolle? Aber: Später dazu mehr.
5. Ärztekammer Berlin
(am 27. März in einer Mail von Frau Dr. med. Catharina Döring-Wimberg)
"Aufgabe der Ärztekammer Berlin ist es, entsprechend ihres
gesetzlichen Auftrages die Einhaltung der beruflichen Pflichten der in
Berlin tätigen Ärzte sowie die Einhaltung der Berufsordnung der Ärzte
zu überwachen. Sofern Sie sich über einen bestimmten in Berlin
tätigen Arzt beschweren möchten, haben Sie die Möglichkeit, Ihr
Vorbringen bei der Ärztekammer Berlin einzureichen. Die Ärztekammer
überwacht die Einhaltung der beruflichen Pflichten ihrer
Kammermitglieder gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag. Wir gehen
entsprechenden Sachverhalten nach und überprüfen im Einzelfall, ob
die Einleitung berufsrechtlicher Maßnahmen erforderlich ist."
Wie gut, dass dann in der Mail noch ein Hinweis von ihr kam: Zu Berufsordnung und Kammergesetzen. Auch dazu später mehr.
6. Bayerische Landesärztekammer
(am 1. April von J.-K. Krause)
"Ein direkter Bezug zu Bayern ist für uns nicht erkennbar."
Echt? Was ein tolles Bundesland. Dort, wo glückliche lila Kühe grasen,
wer weiss, vielleicht ist da wirklich alles in friedlicher Ordnung? Ich
nehm ehrlich gesagt etwas anderes an. Aber man weiss ja nie...
Das wären alle. 6 von 17. Das sind immerhin mehr als ein Drittel, die
überhaupt zurückgeschrieben haben - eine wirkliche Antwort gab es
bislang bei keiner einzigen. Solle es wirklich keine Standards geben,
welche die Frage klären könnten "was darf ein Gutachter und was nicht"?
So und nun zurück zu den Dingen, die ich oben mit "später" vermerkt
habe. Der Bundesverband der Psychologen schickte mir ein
Rezensionsexemplar des Buches "Richtlinien für die Erstellung
psychologischer Gutachten" von Berndt Zuschlag. Interessanterweise geht
es in diesem Buch aber wiederum nicht um die Frage: Was dürfen
Psychologen mit den Begutachteten anstellen, sondern nur um die
Beziehung zwischen Gericht und Gutachter. Vom Begutachteten gibt's nix
in diesem Buch - scheinbar ein zu vernachlässigender Faktor, was?
Na dann, schauen wir doch einmal die "Ethischen Richtlinien der DGPs
und des BDP" an - ein Text, der quasi die Selbstverpflichtung der
Psychologen ist zum ethisch-sauber-arbeiten...
"IV.1. Sorgfaltspflicht
Allgemein gilt, dass die Erstellung und Verwendung von Gutachten und
Untersuchungsberichten von Psychologen größtmögliche sachliche und
wissenschaftliche Fundiertheit, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit
erfordert."
So. Aha. Drei weitere Unterpunkte und acht Sätzte später, stellt sich
die Frage: Schon wieder keine Antworten auf die eigentliche Frage: Was
dürfen die Gutachter mit den Begutachteten anstellen?
Selbst die Berufsordnungen nehmen dazu keine Stellung. Ehrlich gesagt:
Wer weiss es? Wo sitzt der, der sagt, was die Gutachter sich alles
erlauben können? Bislang gab es dazu keine Antwort. Trotz 17 Mails an
die Landesärztekammern und Rücksprache mit dem BDP. Und so drängt sich
die nächste Frage auf: Wieviel Interesse haben die Verantwortlichen
diese Dinge aufzuklären?
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