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Home Blog 15.06.2008
Wie transsexuelle Kinder auch durch Medien
lächerlich gemacht werden, macht ein Beitrag deutlich, der am 9. Juni
bei RTL Extra gezeigt wurde. Berichtet wurde über ein 7-jähriges
transsexuelles Mädchen aus Holland, welches mit Penis und Hoden geboren
wurde. Dass es sich um ein Mädchen handelt, war den Redakteuren von RTL
wohl nicht ganz klar, sonst hätten sie kaum konsequent und durchgehend
davon gesprochen, dass dieses Mädchen ein Junge ist. So äusserte die
Moderatorin (oder soll ich der Moderator sagen?) Birgit Schrowange in
ihrer Anmoderation:
"Schon
mit 3 wollte Joey lieber Kleidchen tragen, lieber mit Puppen spielen
und auf gar keinen Fall ein Junge sein. Heute ist er 7 und sein grosser
Bruder nennt ihn ganz selbstverständlich "meine kleine Schwester". Für
die Eltern ist er eine Tochter. Wissenschaftler nennen ihn medizinische
Sensation, weil er im Kindergarten schon sicher wusste, dass er
eigentlich Jodey ist."
Hätte die Fehlzuordnung von Menschen,
die nicht in der Lage sind zu akzeptieren, dass es Mädchen gibt, die
mit Penis und Hoden geboren werden nicht so schlimme Auswirkungen (in
Deutschland sind diese Mädchen dazu per Gesetz gezwungen, sich zum
Jungen mit Identitätsstörung zu erklären), könnte man ins Schmunzeln
kommen, warum denn hier von einem "er" gesprochen wird, wenn es den
Eltern klar ist, dass sie eine Tochter haben und dem Jungen, dass er
eine Schwester hat. Aber der nachfolgende Off-Text macht gleich lustig
weiter im Ignorieren der Existenz des transsexuellen Mädchens:
"Wenn
er sich schminkt fühlt er sich ein bisschen so wie ein richtiges
Mädchen. und nichts wünscht sich Joey mehr als das. Joey ist ein Junge,
der aber viel lieber ein Mädchen sein will. Seit 5 Jahren schon lebt
der kleine Junge aus Holland wie ein Mädchen. Er kleidet sich als
Mädchen, spielt wie ein Mädchen und gibt sich den Mädchennamen Jodey."
Junge?
Er? Wie ein Mädchen? Interessant, dass eigentlich seit Jahrzehnten
bekannt sein dürfte, dass die Genitalien eines Menschen nicht zur
hundertprozentigen Geschlechtsbestimmung taugt, dies aber immer noch
nicht in den Köpfen derer angekommen zu sein scheint, die über
transsexuelle Menschen berichten. Dabei würde zuhören manchmal Sinn
machen. Hier, was die Mutter gesagt hat:
"Warum
willst du denn ein Mädchen sein? Ja, sagte sie, ich fühle mich anders
und bin nicht glücklich mit meinem Penis. Und dann sagte ich: Ah, du
bist vielleicht in einen Jungen verliebt und denkst, dass das nicht
geht. Nein, ich fühle mich wirklich wie ein Mädchen, ich bin kein
Junge."
Dass RTL hier die Aussage des Mädchens als unwahr
darstellt, ist das eigentlich schlimme. Da hier aber auch in anderen
beiträgen über transsexuelle Menschen (meist sind es Beiträge über
transsexuelle Frauen) der selbe Fehler gemacht wird und die
Geschlechtsidentität eines Menschen nicht respektiert wird, haben wir
uns entschlossen eine Beschwerde bei der zuständigen
Landesmedienanstalt einzureichen. Ob der Verstoss gegen die Würde des
Menschen als solche bei den Aufsichtsgremien erkannt wird, ist zwar
nicht sicher - genausowenig, ob überhaupt eine Reaktion folgen wird -
doch ein Versuch ist es Wert.
Hier der Inhalt der Beschwerde:
Sehr geehrte Damen und Herren,
gerade
in letzter Zeit erfreut sich das Thema Transsexualität in den Medien
grosser Beliebtheit. Leider wird aber hier nicht immer alles so in den
Beiträgen dargestellt, dass transsexuelle Menschen hinterher ein Grund
zur Freude haben. Besonders ärgerlich ist es, wenn durch eine
Medienberichterstattung, welche auf den ersten Blick gut recherchiert
oder verständnisvoll wirken soll, dennoch diskriminierende Inhalte oder
Fehlinformationen verbreitet werden. Im Kern der Diskriminierungen
steht meist die Nichtachtung der geschlechtlichen Identität
transsexueller Menschen. So auch in dem Fall, bei dem wir uns
entschlossen haben, eine Beschwerde an die zuständige Medienanstalt zu
senden.
Es dreht sich um folgende Sendung:
Magazin
Extra - Das RTL-Magazin
09.06.2008
Beitrag: Transsexuelle Kinder - Wenn kleine Jungen schon Mädchen sein wollen
Moderatorin: Birgit Schrowange
Im Ankündigungstext der RTl-Homepage heisst es:
"Leid im falschen Körper
Schon
von klein auf fühlen sie sich unwohl in ihrem Körper: Ob Ex-DSDS
Kandidat Lorenzo oder der kleine Joey - sie wollen nicht mehr Mann
sein, sondern ein Leben als Frau. Wenn kleine Jungen Mädchen sein
wollen. EXTRA zeigt, welches Leid es für die Betroffenen bedeutet, wenn
sie im 'falschen Körper' geboren wurden."
Die eigentliche
Diskriminierung transsexueller Menschen versteckt sich im Satz "Wenn
kleine Jungen Mädchen sein wollen" und zieht sich durch den kompletten
Beitrag, wird hier doch über ein transsexuelles Mädchen berichtet,
welches mit gegengeschlechtlichen Körpermerkmalen geboren wurde, und
nicht über einen Jungen. Zwar mag dieses Mädchen mit Penis und Hoden
geboren sein, es ist, da transsexuell, aber dennoch als Mädchen geboren
wurden. Wären die Filmemacher ein wenig aufmerksamer gewesen, dann
hätte ihnen auffallen müssen, dass sowohl Eltern, Geschwister und
Freunde ganz klar das im Beitrag gezeigte Mädchen als Mädchen
identifizieren. Trotzdem wird hier konsequent das männliche
Personalpronomen "er" verwendet und permanent von "Junge" gesprochen.
Warum
die Bezeichnung "er" für ein Mädchen so schwerwiegend ist, welches von
Transsexualität betroffen ist, und warum diese Berichterstattung auch
anderen Kinder in ähnlicher Situation schwer trifft, wird klar, wenn
man bedenkt, dass transsexuelle Menschen damit als "verrückt"
dargestellt werden, weil angeblich ihre Identität von ihrem
Geburtsgeschlecht abweiche. Dass aber körperliche Merkmale nicht
geschlechtsbestimmend sein können, sondern die Psyche als
geschlechtsbestimmender anzunehmen, urteilte bereits das
Bundesverfassungsgericht 1978:
"Es müsse aber heute als
gesicherte medizinische Erkenntnis angesehen werden, daß die
Geschlechtlichkeit eines Menschen nicht allein durch die Beschaffenheit
der Geschlechtsorgane und -merkmale bestimmt werde, sondern auch durch
die Psyche. Die Rechtsordnung dürfe diese Gegebenheiten nicht
unberücksichtigt lassen, weil sie in gleichem, wenn nicht sogar in
stärkerem Maße als die körperlichen Geschlechtsmerkmale die Fähigkeiten
des Menschen zur Einordnung in die sozialen Funktionen der Geschlechter
bestimmten und weil Gegenstand der auf das Geschlecht abstellenden
Rechtsnormen eben diese sozialen Funktionen seien."
Bundesverfassungsgericht am 11. Oktober 1978 - 1 BvR 16/72 -
Berücksichtigt
man, dass in den letzten Jahren zahlreiche Untersuchungen aus den
Bereichen Humangenetik, Neurowissenschaft und Endokrinologie zu den
Ergebnissen gelangt sind, dass Transsexualität angeboren und zudem
etwas mit dem Gehirn des Menschen zu tun haben muss, dann ist äusserst
seltsam, dass bis heute noch deutsche Mediziner zu finden sind, welche
weiterhin leugnen, dass daraus nur eine logische Schlussfolgerung zu
ziehen ist: Es gibt Mädchen, die mit Penis und Hoden geboren werden. Zu
den Aufgaben von Redakteuren gehört nun aber, dass genau hier, wo einem
Ungereimtheiten auffallen könnten, kritisch beleuchtet und hingesehen
wird. Ein Redakteur hat die Aufgabe zu hinterfragen und etwäige
Widersprüchlichkeiten nicht unkommentiert zu lassen. Im Pressecodex des
Deutschen Journalisten-Verbandes heisst es dazu:
Ziffer 2:
"Recherche
ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur
Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind
mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt
zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch
Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch
verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen
sind als solche erkennbar zu machen."
Die Vermutungen über eine
bislang nicht falsifizierte Erfindung namens
"Geschlechtsidentitätsstörung", die von dem Experten Herrn Meyenburg
geäussert wurden, wurden von RTL nicht als Vermutungen gekennzeichnet,
sondern als wahr präsentiert.
Ziffer 9:
"Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen."
Ein
Mädchen als "er" zu bezeichnen hilft vielleicht der Lobbyarbeit von
Herren wie dem im Film gezeigten, ist aber in der Tat eine
Ehrverletzung - vorallem dann, wenn man weiss, dass genau die
geschlechtliche Identität des im Film gezeigten Kindes nicht
respektiert wird. RTL lässt das Mädchen als unglaubwürdig erscheinen,
obwohl es weiss, welchem Geschlecht es angehört.
Wir wenden uns
an sie, da die Erfahrung zeigt, dass die Belange transsexueller
Menschen bislang von den Medien tapfer ignoriert werden. So blieb
bisher auch von RTL eine Reaktion der verantwortlichen Redaktion aus,
obwohl unsere Initiative schriftlich auf die groben Mängel in der
Berichterstattung hingewiesen hat. Da dies (leider) immer noch ein
übliches Gebahren zu sein scheint, wenn sich von Transsexualität
betroffene Menschen zu Wort melden, möchten wir sie bitten, dieser
Beschwerde nachzugehen. Wenn man bedenkt, dass dieser RTL Extra Beitrag
kein Einzelfall ist, sondern eher die Regel im Umgang mit
transsexuellen Menschen darstellt, wäre eine Auseinandersetzung mit
diesem Thema durch die Landesmedienanstalten eine wichtige
Angelegenheit, die helfen kann, endlich einmal zu erreichen, dass in
der Berichterstattung über transsexuelle Menschen irgendwann einmal das
Menschenrecht respektiert würde.
Vielen Dank.
Es wäre
einmal an der Zeit die Aussagen transsexueller Kinder als Aussagen zu
begreifen, die genau so gemeint sind, wie sie geäussert wurden. Wenn
ein transsexuelles Mädchen sagt "Ich bin ein Mädchen", ist es nämlich
sehr gut möglich, dass es eines ist.
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