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09.07.2008
Bis vor kurzem hätte man noch folgenden Abschnitt genau so stehen lassen können...

Interessanterweise gab es in den Medien bisher wohl keinen Bericht, der einmal Transsexualität in einem anderen Licht darstellt, als das so in den letzten 30 Jahren üblich war - meist wird die Geschichte eines betroffenen Menschen porträtiert und neben bei dürfen dann Sexologen etwas von "Geschlechtsidentitätsstörungen" erzählen. Alles wie gehabt: transsexuelle Menschen sind ein bisschen gaga, aber das darf man dann natürlich so auch nicht offen zeigen und formuliert dann schön betroffen. Einmal kritisch zu hinterfragen, ob es "Geschlechtsidentitätsstörungen" überhaupt geben kann, wäre zwar mal eine Sache, ist aber bislang ebensowenig vorgekommen, wie die Paradoxien und Menschenrechtsverletzungen aufzuzeigen, denen transsexuelle Frauen und Männer per Gesetz und medizinischer Praxis bis heute ausgeliefert sind. Dass die Betroffenen sich oft gezwungen sehen, sich auf entwürdigende Behandlungen einzulassen - weil immer noch von einigen Damen und Herren Psychoanalytikern abgestritten wird, dass es Mädchen gibt, die mit Penis und Hoden geboren werden können und Jungs, die mit Gebärmutter auf die Welt kommen - macht die Sache nicht besser.

...doch moment, es ändert sich was. Einige Betroffene werden mutiger. Der US-Amerikaner Thomas Beatie zum Beispiel, der nun sein erstes Kind auf die Welt gebracht hat. Ein Mann und Kinder kriegen? Das geht doch gar nicht, denkt sich wohl der deutsche Redakteur, vorallem wenn man bedenkt, dass die deutsche Medienzunft bisher mit Ansichten der Sexologie indoktriniert wurde, die so einen Mann nicht als Mann ansieht, sondern als Frau mit Identitätsstörung. So erschien neulich in der TAZ folgender Absatz in einem Artikel von Arno Frank.

"Es ist schon erstaunlich, wofür 'die Gesellschaft' immer mal wieder 'bereit' sein muss, als hätte sie keine anderen Probleme, aber bitte: Die Preise für das entsprechende Beweisfoto - Mann mit Bärtchen hält sich versonnen das Babybäuchlein - sind inzwischen so horrend, dass diese kleine Zeitung dankend auf den Abdruck verzichtet hat. Was nur zeigt, wie stark gerade bei nicht eben als tolerant bekannten Gülle- und Gossenblättern die Nachfrage nach dem 'schwangeren Mann' ist - bisher gabs dergleichen nur in Komödien, mit Arnold Schwarzenegger oder Mike Krüger als werdenden Vätern."

"Tatsächlich steht und fällt der Nachrichtenwert dieser Geschichte mit der Bereitschaft, diesen Menschen, der sich Thomas Beatie nennt, überhaupt als Mann anzuerkennen. Es mag ja sein, dass er sich das wünscht, viel Geld für Operationen ausgegeben und noch mehr Schmerzen erduldet hat. Ebenso gut hätte er sich aber auch statt der Brüste die Beine amputieren, sich Flossen annähen und ein Atemloch in den Rücken stanzen lassen können - um zu behaupten, er wäre fürderhin ein Delfin.

Der Kaiser trägt in diesem Fall nicht neue Kleider, sondern ein neues Geschlecht. Das mag ihm glauben, wer will, und derzeit glauben viele Menschen solchen Quatsch sehr gerne - was vor allem an den bizarren Auswüchsen der Genderstudies liegt, deren Ziel es ist, der Gesellschaft einzutrichtern, das Geschlecht sei nichts weiter als ein soziales Konstrukt, das prinzipiell zur Disposition steht und damit unseren Vorlieben sowie der Geschicklichkeit teurer Chirurgen unterworfen ist. Gebärmutter bleibt Gebärmutter, in wessen Bauch auch immer sie steckt.

Thomas Beatie ist kein Mann, sondern eine schrecklich verstümmelte Frau - und gottlob nicht verstümmelt genug, um keine Kinder gebären zu können. Wünschen wir also allen Beteiligten das Beste."


Quelle: Mutter oder Vater? - TAZ online 02. Juli 2008

Etwas transphobisch würde ich sagen. Schockreaktion? Oder doch nur die Unfähigkeit oder der Unwillen die Realität als solche zu akzeptieren? Ja, Herr Frank, sie haben Geschlechtsgenossen, die Kinder gebären können. Und es gibt sogar Menschen, die das wissen (ausser möglicherweise die Mehrzahl der deutschen Psychoanalytiker, die - wie schon oben erwähnt - sagen würden, dass es sich um Frauen mit "Geschlechtsidentitätsstörung" handeln würde). Und zudem gibt es sogar Menschen, die sich wehren. Zum Beispiel in Form von Kommentaren, von denen zwar von der TAZ nicht alle veröffentlicht wurden (meiner zum Beispiel), aber die, welche es durch die Zensur geschafft haben, die sprechen trotzdem eine deutliche Sprache. Mal ein paar Beispiele:

"Medien werden u.a. zur Meinungsbildung benutzt. Hier wird eine Meinung gebildet, die jemandem das Existenzrecht entzieht. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es immer wieder Menschen gibt, die meinen, das dann auch in Selbstjustiz durchzuführen. Darin liegt die Gefahr! Nicht in Thomas Beatie." (Jen)

"Ich bin entsetzt über diesen transphobischen Artikel in der TAZ!"
(E.J.)

"In der Pressedarstellung und den Kommentaren dazu wird Geschlecht wieder mal nur auf das äußere und innere Genital reduziert, wohl weil eine Urangst besteht Geschlecht könnte mehr sein und man müsste sich mal selbst Gedanken darüber machen." (Helma Katrin Alter)

"Natürlich gehört mehr dazu, aus einer Frau einen Mann zu machen als plastische Chirurgie. Aber es gehört plastische Chirurgie dazu, einem Mann, der mit weiblichem Körper geboren wurde, die Möglichkeit zu geben, sein Geschlecht zu leben." (K. Siebers)

Scheinbar gibt es nun auch einige Beschwerden, die an den deutschen Presserat geschickt wurden, was ich wirklich prima finde... wenn sich dadurch die Einstellung und der Respekt gegenüber transsexuellen Menschen ändert, ist das ja zu begrüssen. Andererseits wird es wohl trotzdem noch nötig sein, Beschwerde hin oder her, genauer hinzuschauen, durch wen oder was die Diskriminierungen ihre öffentliche Legitimation erhalten . Solange es möglich ist, dass ein Gesetz wie das Transsexuellengesetz existiert, in welchem die geschlechtliche Fremdzuordnung durch Gutachter und die Erfindung "Geschlechtsidentitätsstörung" den Kern des Verfahrens ausmachen, werden Menschen wie Herr Frank sich in Sicherheit wiegen können, weil sie ein System hinter sich haben, dass immer noch das Geschlecht eines Menschen auf Penis und Gebärmutter reduziert, obwohl eigentlich längst bewiesen ist, dass es andere geschlechtsbestimmende Faktoren geben muss.

Dazu passend füge ich hier mal ein Ausschnitt aus einem Text an, der sich zwar auf Thomas Beatie bezog, aber einem email-Verkehr mit einer anderen Zeitung entstammt:

"Haben sie sich einmal überlegt, ob es nicht paradox ist, einerseits zu behaupten die Geschlechtsidentität eines Menschen zu respektieren (wie es die Bundesregierung und die psychoanalytisch geprägte Sexologenszene tut), andererseits aber z.B. transsexuelle Männer als Frauen mit Geschlechtsidentitätsstörung zu bezeichnen, wie das heute noch gemacht wird? Wo ist denn da der Respekt vor der eigentlichen geschlechtlichen Identität eines transsexuellen Menschen, wenn zur Voraussetzung für eine Behandlung und rechtliche Anerkennung dazugehören soll, das sich Menschen entgegen ihrer Geschlechtsidentität behandeln lassen sollen, damit überhaupt die Erfindung "Geschlechtsidentitätsstörung" möglich wird? Es wäre doch einmal schön, sich über diese Paradoxien einmal Gedanken zu machen. Meinen sie nicht? Vielleicht würden dann hinterher die eigentlichen Diskriminierungen deutlich werden, die transsexuelle Menschen in Deutschland rechtlich und medizinisch auf sich nehmen müssen... vielleicht würde dann auch klar werden, warum 30 Jahre nach Einführung des TSG die menschenrechtliche Anerkennung transsexueller Menschen in Deutschland immer noch auf sich warten lässt...

Gerade Medien könnten hier helfen, zu verstehen, dass körperliche Merkmale wie Penis und Hoden oder ein bestimmter Chromosomen Satz nicht zur hundertprozentigen Geschlechtsbestimmung taugen und es hier eben Abweichungen geben kann. Solange aber Medien hier lieber die Ansichten der deutschen Psychoanalyse weitertragen, die immer noch glaubt, dass transsexuelle Menschen eine Geschlechtsidentitätsstörung hätten, weil sie sich nicht ihrem Körpergeschlecht entsprechend verhalten, wird es schwierig werden, hier eine echte Anerkennung transsexueller Menschen in der Gesellschaft zu erreichen. Ich finde, da lässt sich doch von den Medien mehr erwarten. Finden sie nicht?"

 
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