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26.08.2008
Es gibt viele Märchen und Mythen um das Transsexuellengesetz von denen nicht ganz klar ist, woher sie kommen und wie sie entstehen konnten. So lässt sich desöfteren hören, das TSG wäre deswegen so gut, weil es den Betroffenen Sicherheit geben würde, sowohl medizinische, als auch rechtliche. Auffällig ist aber, dass andererseits, schaut man einmal genau hin, kaum ein betroffener transsexueller Mensch in der Praxis diese medizinische und rechtliche Sicherheit geniesst, sondern vielmehr Probleme mit Gerichten und Krankenkassen zum Alltag gehören. Grund genug diese Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit einmal etwas näher zu beleuchten:

1978, vor der Einführung des TSG zwei Jahre später, hat das Bundesverfassungsgericht sinngemäss ausgeführt, dass es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, wenn einem transsexuellen Menschen verwehrt würde, seinen Personenstand an sein gelebtes Geschlecht anpassen zu lassen. Dies war die Grundlage für die Einführung des TSG.

Das Bundesverfassungsgericht bezog sich in seinem Urteil auf folgenden Abschnitt des Grundgesetzes:

"Artikel 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt."


In Wikipedia heisst es:

"Selbstbestimmung ist ein zentraler Grundsatz der Menschenrechte: Menschen sollen ihre eigenen Ideen und Wünsche frei verwirklichen können, ohne von außen unterdrückt oder bedrängt zu werden."

und in den 2007 veröffentlichten Yogyakarta-Prinzipien :

"Die Staaten müssen... alle erforderlichen gesetzgeberischen, administrativen und sonstigen Maßnahmen ergreifen, damit die selbstbestimmte geschlechtliche Identität jedes Menschen in vollem Umfang geachtet und rechtlich anerkannt wird"

Wie sieht es aber mit der Selbstbestimmung im TSG aus?

Im Transsexuellengesetz heisst es zur Personenstandsänderung wie folgt:

"Das Gericht darf einem Antrag ... nur... stattgeben, nachdem es die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt hat, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut sind."

Das heisst nun: Obwohl hier die geschlechtliche Selbstbestimmung gelten sollte, liegt die Geschlechtszuordnungsgewalt nun im Prinzip bei zwei Gutachtern, die von aussen eine geschlechtliche Fremdzuordnung vollziehen - mit der theoretischen Möglichkeit einer transsexuellen Frau, die in weiblicher Rolle lebt, eine Anerkennung als Frau verwehren zu können. Von einer rechtlichen Sicherheit kann also nun keine Rede sein.

Und was ist nun mit der medizinischen Sicherheit für körperliche Massnahmen?

Schauen wir einmal, wo das TSG überhaupt Bezug darauf nimmt. Das spannende: Es gibt hier nur einen einzigen Punkt... nämlich in §8 (4) hier heisst es

"... sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist."

Es steht nirgends etwas davon, dass eine Krankenkasse diesen Eingriff zu zahlen hätte - es wird lediglich dieser Eingriff verlangt (bis heute noch, diese Anforderung des TSG wurde aber in den jüngsten ENtscheiden des Bundesverfassungsgerichtes zum TSG bereits angemahnt). Ist eine Anforderung aber bereits eine Sicherheit? Sicher nicht. Die gewisse medizinische Sicherheit, die wir in Deutschland haben, stammt also nicht vom TSG. In Wirklichkeit stammt die Pflicht der Krankenkassen für die Kostenübernahmen aus Urteilen wie dem des Bundessozialgerichtes von 1987 (3 RK 15/86), in dem auf den Krankheitswert hingewiesen wurde, den Transsexualität hätte.

"Unter Berücksichtigung und Würdigung der unterschiedlichen Beurteilung der auch in der Literatur umstrittenen Frage des generellen Krankheitswerts der Transsexualität sei das Gericht der Auffassung, daß in jedem Einzelfall zu prüfen sei, ob aufgrund der besonderen Umstände des Falles durch die Transsexualität ein so starker Leidensdruck hervorgerufen werde, daß sie Krankheitscharakter habe und zur Linderung ärztlicher Maßnahmen bedürfe. Das sei im vorliegenden Fall zu bejahen."

Damit gibt es zwar ein wenig Sicherheit, letzendlich sind die Entscheidungen der Krankenkassen über medizinische Massnahmen aber bis heute Einzelfallentscheidungen.

Was haben wir also nun?

a) Ein TSG, bei dem ein Betroffener nicht sicher sein kann, als sein gelebtes Geschlecht anerkannt zu werden (weil hier Gutachter das Geschlecht fremdbestimmen, Gutachten die dem Betroffenen Geld kosten)
b) Ein TSG das keinerlei medizinische Sicherheit gewährleistet

Nur soviel einmal zu den Märchen, die über das Transsexuellengesetz existieren.

Wie lassen sich die Unsicherheiten also nun in Sicherheiten verwandeln? Wie muss das TSG geändert werden?


Aufgabe 1: Die Geschlechtsfremdbestimmung abschaffen. Wenn das Gutachterverfahren im Transsexuellengesetz gegen das Selbstbestimmungsgebot verstösst, welches zu den Grundmenschenrechten gehört, bleibt als konsequente Folge nur übrig, das Gutachterverfahren im TSG abzuschaffen.

Aufgabe 2: Die medizinische Sicherheit zu verbessern. Nur wenn die Geschlechtsidentität eines transsexuellen Menschen von Anfang des Verfahrens an respektiert wird, kann es eine medizinische Sicherheit geben. Die Folge davon ist die Erarbeitung neuer menschenrechtskonformer Behandlungsstandards.

Genau diese zwei Forderungen sind seit 2006 Forderungen von Menschenrecht und Transsexualität. Spätestens seit dieser zeit, sind sie den zuständigen Politikern und Medizinern bekannt. Sinnvolle Antworten blieben bis heute aus. Stellungnahmen zu unserem Alternativbericht zur menschenrechtlichen Situation transsexueller Frauen , der im Juli in New York bei der UN vorgestellt wurde, fehlen bis heute ebenso. Woran kann es liegen?

 
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