Der Tag der Deutschen Einheit war der erste Tag des insgesamt bis
Sonntag andauernden Transgender-Treffens in Berlin, welches in diesem
Jahr wieder von dem Verein TrIQ e.V. veranstaltet wurde. Neben
Workshops gab es auch Vorträge zum Thema Transsexuellengesetz und
dessen Reformbestrebungen. Und auch wenn die Tagung insgesamt als
positives Treffen zu werten ist, so zeigte sich hier, dass die Anliegen
von Menschenrecht und Transsexualität (oder nun auch dem Verein ATME
e.V.) für einen sinnvollen TSG-Reformprozess wichtig sind. Gerade auch
in Vorträgen zum Transsexuellengesetz von Christian Schenk (Ex-MdB)
oder der Rechtsanwältin Deborah Campbell offenbarten sich die
Paradoxien, die entstehen, wenn man unterschiedliche Geschlechterebenen
vermischt, anstatt sie klar zu unterscheiden. So wird im TSG einerseits
ein juristischer Akt der Vornamens- oder Personenstandsänderung
vollzogen, der sogenannte "Wunsch dem anderen Geschlecht anzugehören",
trotzdem wird diese juristische Änderung mit einer medizinischen
Definition verknüpft, die sich im sogenannten Gutachterverfahren
wiederfindet - eine Vermischung, die das eigentliche Problem des
Gesetzes darstellt, da hier letztendlich bei genauerer Betrachtung
Geschlechtsdefinitionen aufrecht erhalten werden, die sich an
überholten und
wissenschaftlich längst überholten Theorien orientieren, wie der (Fehl-)Vermutung Geschlecht liesse sich immer an den Genitalien des Menschen ablesen.
So wies Deborah Campbell in ihrem Vortrag auf die sogenannten Standards Of Care hin, die in der deutschen Version von
Sophinette Becker
, Psychoanalytikerin aus Frankfurt erstellt wurden. In diesen SoC dreht
es sich um den Begriff "Geschlechtsidentitätsstörung", der die Aussage
hat, dass ein Mensch dann identitätsgestört wäre, wenn er sich anders
fühlt wie seine Genitalien und nimmt somit die körperlich sichtbaren
Merkmale als geschlechtsbestimmend an, ohne zu berücksichtigen, dass es
z.B. möglich ist, dass ein transsexueller Mensch tatsächlich auch
biologisch das Geschlecht besitzt, von dem er selber sagt, dass er ihm
angehört. Mädchen, die mit Penis und Hoden geboren werden und Jungs,
die mit Gebärmutter und Vagina auf die Welt kommen, werden nach dieser
Sichtweise geleugnet, die Betroffenen zu Menschen erklärt, die etwas
anderes werden wollen, anstatt zu erkennen, dass sie lediglich in dem
Geschlecht anerkannt werden wollen, dem sie sowieso
seit ihrer Geburt bereits angehören.
Schade ist, dass sowohl Christian Schenk und Deborah Campbell, die
ansonsten wichtige Positionen vertreten und sich z.B. beide eine
Abschaffung des Gutachterverfahrens vorstellen können - wie hier auf
der Seite aufgeführt, die einzige Lösung einer Menschenrecht
beachtenden Lösung für ein Gesetz, welches die Änderung des Vornamens-
und Personenstands regeln kann - diese Position auf der Tagung nicht
auch offiziell vertreten haben. Die Fragen die hier erlaubt sein
müssen: Hat nicht die Politik die Realität zu akzeptieren und
Regelungen zu schaffen, welche auf Tatsächlichkeiten basieren, anstatt
weiterhin an Ideologien festzuhalten, welche auf unwissenschaftlichen
Theorien basieren, wie sie z.B. von der
"Geschlechtsidentitätsstörungs"-gläubigen deutschen Sexologie vertreten
wird?
Wenn Menschen existieren, deren körperliche Merkmale von ihrem
eigentlichen Geburtsgeschlecht abweichen - und wer auf der Tagung in
Berlin gewesen ist, wird daran keinen Zweifel mehr haben (auch, dass
Geschlecht primär weder mit der gelebten Geschlechtsrolle noch mit
körperlichen Merkmalen zu tun hat) - dann ist es eine Aufgabe
derjenigen, die in der Verantwortung stehen, Regelungen zum Wohl der
Menschen zu erlassen, die tatsächlich existieren - eben auch
transsexuelle Menschen. Transsexuelle Menschen wollen vielleicht ihre
Rolle (und in diesem Zusammenhang eben auch ihre Papiere) ändern, oder
aber auch eine körperliche Veränderung, was sie aber im eigentlichen
wollen ist, dass sie in ihrem eigentlichen Geburtsgeschlecht anerkannt
werden. Gesetze wie das jetzige TSG machen genau das Gegenteil.
Vertreterinnen des Vereins Aktion Transsexualität und Menschenrecht
haben aus diesem Grund in Berlin ein 7-Punkte-Papier verteilt, welches
im Grossen und Ganzen auf positive Resonanz gestossen ist. Kern dieses
Papiers ist die Forderung nach Abschaffung des TSG-Gutachterverfahrens,
dessen Existenz bereits gegen internationales Menschenrecht verstösst.
Genauere Ausführungen hierzu finden sich unter anderem in verschiedenen
NGO-Berichten, die bereits von der UN positiv kommentiert wurden. Die 7
Punkte wurden u.a. auch in einer symbolischen Aktion an den Berliner
Reichstag geklebt.
Links:
7 Punkte des Vereins Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V.
Eingereichte NGO-Berichte zur Menschenrechtssituation
Film:
Kommentar zu den 7 Punkten
O-Töne:
Christian Schenk zur Vornamensänderung
Deborah Campbell zur Abschaffung des Gutachterverfahrens