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Der Deal
"Es sind noch viele Fragen ungeklärt, es ist noch weitere Forschung nötig" ist einer der Sätze, die weltweit dazu verwendet werden, Menschen ihr Recht auf ihr eigenes Geschlecht zu verwehren. Man könnte den Satz auch als "Solange noch Fragen offen sind, behandeln wir dich wie bisher" übersetzen, denn in der Realität bedeutet diese Aussage bei Menschen mit geschlechtlichen Variationen, die nicht in gesellschaftliche Klischeevorstellungen passen, dass weiterhin von Aussen zwangs- und fehlzugeordnet wird - frei nach dem Motto: Solange wir im Dunkeln tappen, hast Du kein Selbstbestimmungsrecht. Den Satz gibt es übrigens schon länger, spätestens seit dem John Money den Begriff "gender identity" ("Geschlechtsidentität") erfand. Eine "gender identity" aber gibt es nicht.

Natalie Shainess war Psychoanalytikerin in New York und schreib 1967 einen Artikel, den sie "The Evolution of Gender Identity" nannte. "Gender Identity" beschreibt sie in diesem Text als Produkt äusserer Einflüsse und meint zugleich, dass Transsexualität durch falsche Erziehung entstünde, ein transsexueller Mensch sei eine ziemlich verwirrte Person, ein psychotischer Mensch, der seine Realität mit Phantasien über sich selbst verwechselt. Im weiteren Verlauf des Artikels geht es um die Entwicklung einer "Gender Identity" von homosexuellen Menschen und welchen Einfluss die Kindheit auf Homosexualität hat.

John Money und Anke Ehrhardt (die bevor sie John Money in Baltimore traf und seine Assistentin wurde, u.a. auch an der Universität Hamburg ihr Diplom erhielt) meinten mit dem Begriff "Gender Identity" "sameness, unity, and persistence of one’s individuality as male, female, or ambivalent...the private experience of gender role." (Money J. Ehrhardt A. Man & woman, boy & girl. Baltimore (MD): John Hopkins University Press; 1972.). "Gender Identity" beinhaltete von Anfang an also den Bezug zur Gesellschaft, zu einer geschlechtlichen "Rolle". "Gender" so sagten sie, sei das Produkt von Lernen und Erfahrung. Ehrhardt war übrigens Präsidentin der International Academy of Sex Research, die Volkmar Sigusch und John Money 1973 gründeten, und deren offizielle Publikationsreihe "Archives of Sexual Behavior" zur Zeit von Kenneth Zucker herausgegeben wird (Zucker ist Vorsitzender der DSM-Group der APA, die versucht u.a. Intersexualität als "gender identity" disorder anzusehen und auch Transsexualität für eine psychische Störung hält). Anke Ehrhardt wurde von der "National Lesbian and Gay Health Foundation" von Nordamerika 1994 ein Preis verliehen. John Money wurde 2002 von der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung noch vor seinem Tod mit der Magnus-Hirschfeld-Medaille ausgezeichnet. Interessant, wenn man weiss, dass Genitalverstümmelungen von intersexuellen Kindern häufig noch mit Money und Ehrhard legitimiert werden.

Interessant ist nun auch, dass die Geschichte der sogenannten "gender identity" auch von Anfang an, immer in Zusammenhang mit Intersexualität auftaucht. Anke Ehrhardt selbst hatte in ihrer Laufbahn selbst mit intersexuellen Kindern zu tun. In einer Publikation von 1991 unter dem Titel "Interim Report of the DSM-IV Subcommittee on Gender Identity Disorders" finden sich dann u.a. auch Kenneth Zucker wieder, aber auch Heino Meyer-Bahlburg, zu dessen Spezialgebieten sowohl "Intersexualität" gehört, als auch "Gender Identity Disordes".

Mit "Gender Identity" liess sich also bislang eine ganze Menge legitimieren. Einerseits half der Begriff zwar homosexuellen Menschen scheinbar, den Makel der psychischen Störung abzustreifen (offiziell gilt seit 1973 Homosexualität nicht mehr als psychische Störung), dennoch gab es seit dieser Zeit eine neue Grundlage dafür Menschen ihre geschlechtliche Integrität abzusprechen, ob sie nun homosexuell, intersexuell oder transsexuell waren.

1. homosexuelle Menschen

Seit der Idee einer "Gender Identity" gilt Homosexualität als sexuelle Identität, die sich erst entwickelt hat und ihre Ursache in der Kindheit hat. Der Begriff "Gender Identity Disorders in Childhood" bezieht sich vorwiegend auf angebliche "prä-homosexuelle Kinder" (Begriff aus der Psychoanalyse). Reparative Therapien und Umpolungstherapien an Kindern basieren auf dieser Vorstellung, dass die Mehrheit der Kinder mit GID später homosexuelle Erwachsene würden (siehe: Green 1985, 1987; Zucker and Bradley, 1995). Homosexuelle Männer seien Männer, die sich "wie Frauen" benehmen, lesbische Frauen seien Frauen, die sich "wie Männer" verhielten. Dass ein "wie Frauen" und ein "wie Männer" lediglich auf Klischeevorstellungen basiert, nur am Rande.

2. intersexuelle Menschen

Die Verstümmelung von Menschen, die mit uneindeutigen Genitalien bzw. "uneindeutigen" geschlechtlichen Merkmalen geboren wurden, legitimierte man nun mit dem gesellschaftlichen Druck, den die Kinder abbekommen würden, würde man sie nicht operieren. Da eine "gender identity" ja Produkt der Erfahrungen in der Kindheit sei, so wird seitdem behauptet, könne diese "gender identity" gestört werden. Argumentiert wird hier u.a. mit Hänseleien durch andere Kinder. Würde man nun ein Kind geschlechtlich "vereindeutigen", so können man dem Kind eine normale, ungestörte "gender identity" ermöglichen. Im psychoanalytischen Fachsprech heisst so etwas dann ungestörte "psychosexuelle Entwicklung". Warum Genitalien an gesellschaftliche Vorstellungen angepasst werden müssen wurde also mit einer gesunden "gender identity" des Kindes beantwortet.

3. transsexuelle Menschen

Dass das biologische Geschlecht mehr als Genitalien, Hormone, usw. bedeutet und auch Abweichungen vorkommen, weiss man schon längst. Seit dem es "gender identity" gibt, kann man aber einem transsexuellen Menschen z.B. die Selbstaussage "ich bin eine Frau" zur psychischen Störung, Phanatsie, und Illusion erklären. Man tut so, als gäbe es ein eindeutiges biologisches Geschlecht (verschweigt dazu, dass man einige intersexuelle Menschen mit Messer und Schere dazu erst "vereindeutigen" musste) und sagt, dass transsexuelle Menschen von diesem eindeutigen "biologischen Geschlecht" psychisch abweichen. Ihre "Gender Identity" sei eben gestört.

Nimmt man alles zusammen, dann kann mit der Behauptung, transsexuelle Menschen seien "gender identity disordered" wunderbar die Verstümmelungen intersexueller Menschen rechtfertigen, schliesslich zeige sich ja, dass es Menschen gäbe, die eine krankhafte "psychosexuelle Entwicklung" durchliefen. Die "Vereindeutigung" intersexueller Menschen und die Verheimlichung ihrer Existenz kann gleichzeitig ganz prima dafür genutzt werden, ein heteronormatives Geschlechterbild (ein eindimensionales, das eine einzinge Linie zwischen Mann und Frau zieht) aufrecht zu erhalten, dass es so nicht gibt. Dies hilft einer inter- trans- und homophoben Gesellschaft, homosexuelle Menschen als "andersherum" anzusehen, was wiederum die Vorstellung unterstreicht, dass es Menschen gäbe, deren psychosexuelle Entwicklung dazu führe, sich "gegengeschlechtlich" zu verhalten, oder sogar "Geschlechtsumwandlungen" anzustreben. Ein Zirkelschluss, bei dem sich mensch fragen kann: wozu das Alles?

"Gender Identity" ist ein gescheitertes Konzept einer hetereonormativen Welt, die meint, es gäbe so etwas wie eine männliche oder weibliche Geschelchtsrollenidentität. Ohne klischeehafte Definitionen über "männliche" oder "weibliche" Rollen kann es keine "gender identity" geben - denn wenn es keine eindeutig "männlichen" oder "weiblichen" Geschlechtsrollen gibt, ist eine "gender identity" ziemlicher Unsinn. Oder umgekehrt: das Konzept der "gender identity" muss zwangsläugig das Konzept stereotyper Geschlechtsrollen mitschleppen, um sich selbst für seine Existenz rechtfertigen zu können.

Gleichzeitig ist das Konzept "gender identity" ein Machtinstrument, um geschlechtliche Zuweisungen vornehmen zu können. Gerade in Gesellschaften, in denen starre Geschlechterstereotype gepredigt werden, sind solche geschlechtlichen Zuweisungen häufig. Es ist höchste Zeit, die Ideen der John-Money-Ära kritisch zu hinterfragen.

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