Folgenden Text habe ich auf Anfrage zur Sticker-Aktion von "Stopp F64.0" verfasst, ich hoffe er ist einigermassen verständlich:
Es fällt mir nicht leicht diesen Text zu schreiben, da ich mir vorstellen kann, dass das, was ich im folgenden aufführen werde, aus dem Rahmen der bisherigen gesellschaftlichen Geschlechtervorstellung fällt Trotzdem ist es nötig sich weiterzuentwickeln, wenn bisherige Konzepte dazu führen, dass Menschen nicht nur ausgegrenzt, sondern auch psychisch unnötigem Druck ausgesetzt werden. Im Falle der Transsexualität geht dies heute noch so weit, dass viele Betroffene den Suizid als bessere Lösung ansehen, als für immer verkannt zu bleiben.
Die wichtigste Ursachen für das Leid, dem transsexuelle Menschen ausgesetzt sind, ist, dass auch im Jahr 2006 noch das Körpergeschlecht als das Mass aller Dinge für die Geschlechtsbestimmung vermutet wird, obwohl bereits zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse seit über 10 Jahren vorliegen, welche darauf hinweisen, dass dem nicht so ist. Das Gehirn entwickelt sich schon im Embryo geschlechtlich. Wenn man weiss, dass der Sitz des menschlichen Bewusstseins das Gehirn ist, dann wird schnell klar: Das Gehirn bestimmt das Geschlecht eines Menschen - Transsexualität ist eine Abweichung des Körpers vom Geburtsgeschlecht.
Trotzdem, und das ist das fatale, werden transsexuelle Menschen in der westlichen Welt immer noch als psychisch krank angesehen, der Satz "Ich bin im falschen Körper geboren" wird zur Lüge erklärt. Die Frage ist: was ist der Grund dafür, dass dem immer noch so ist?
Es ist eine Buchstaben-Zahl-Kombination, die sich F64.0 nennt. F64.0 ist eine Einordnung in den Katalog der zu behandelnden Krankheiten, welche die WHO auf Grund von einer Reihe Psychologen getroffen hat, die sich als "Experten" auf dem Gebiet der Geschlechterforschung wähnen. F steht dabei für psychische Krankheiten, 64.0 für Transsexualität. Genauer definiert wird Transsexualität von eben diesen Psychologen als "Geschlechtsidentitätsstörung", beschrieben als "Glaube, im falschen Körper geboren worden zu sein". Ein Glaube oder ein Gefühl soll es sein, ausgelöst von Ursachen, welche die sogenannten Experten immer noch nicht gefunden haben.
Was die Herren allerdings beobachten konnten: Diese ominöse psychische Störung lässt sich auf herkömmliche Weise nicht heilen, man kann sie nicht therapieren. Das einzige, was sich in der Praxis als richtig herausgestellt hat, ist das, was man früher einmal "Geschlechtsumwandlung" genannt hat. Für diesen Prozess ist ein langer und schwieriger Weg notwendig, der sich anhand des F64.0 orientiert. Demnach wird davon ausgegangen, man müsse den transsexuellen Patienten eine Zeit lang beobachten um schliesslich nach mehreren Monaten zu sagen: Der Mensch lässt sich nicht von seinem Wunsch abbringen, eine geschlechtsumwandelnde Prozedur zu durchlaufen. Nach einem Differential-Gutachten wäre der Weg frei.
Und jetzt kommt das eigentliche Dilemma: F64.0 funktioniert nicht - F64.0 ist ein Paradoxon.
Wenn ein Mensch "glaubt" im falschen Körper geboren worden zu sein, dann wäre das nach Vorstellung der Experten beispielsweise folgendermassen: Ein Mann glaubt eine Frau zu sein. Und jetzt kommt das Paradoxon: Wenn ein Mann glaubt eine Frau zu sein, dann kann dieser mann niemals auf eine Behandlung einwilligen, die ihn während des kompletten Verfahrens zum Mann erklärt. Wenn "er" dies könnte, dann wäre dieser Mann nicht transsexuell, sondern einfach nur ein Mann. Glaubt dieser Mann aber im "falschen Körper geboren worden zu sein", dann glaubt "er", dass er eine Frau ist. Und wenn das bei "ihm" so ist, dann kann er aber nach F64.0 nicht behandelt werden, da eine Behandlung die auf beiden Seiten des Arzt-Patienten-Verhältnisses nicht auf der gleichen Grundlage basiert automatisch zum Scheitern verurteilt ist. Die bisherige Beschreibung des F64.0 vollzog die Logik, die sich hinter F64.0 verbirgt (oder besser: es war mein Versuch diese Pseudologik nachzuvollziehen)- eine Logik, die das Geschlecht des Menschen von seinem Körper abhängig macht und meint das Vorhandensein eines Penis oder einer Vagina würde geschlechtsbestimmend sein. Und dies ist falsch. Diese antiquierte Vermutung wurde von den verschiedensten Wissenschaften (wie Humangenetik und Neurobiologie) bereits widerlegt - denn, das Gehirn entwickelt sich schon im Embryo geschlechtlich und jedes Neugeborene hat somit etwas wie ein "geschlechtliches Selbstbewusstsein". Wer daran glauben mag, dass Menschen nicht als roboterartige Körperhüllen auf die Welt kommen und wer das Individuum, das sich in einem jeden neugeborenen Kind zeigt, erkennen kann, wer weiss, dass jedes Baby anders lacht, der wird keinen Zweifel daran haben, dass dies so ist. Dieses geschlechtliche Selbstwissen ist also der wichtigste Faktor der Geschlechtsbestimmung. Ein weibliches Gehirn wird sich weiblich entwickeln und auch durch jeglichen Versuch des "Umpolens" nicht zu einem Männerhirn - ein männliches Hirn bleibt männlich. So kann es also vorkommen, dass ein Mensch mit einem weiblichen Hirn trotzdem mit einem Penis auf die Welt kommt. Was mag daran so tragisch sein, mag man meinen? Ja, wäre es doch tatsächlich weniger tragisch, wenn dieses weibliche Hirn sich Frau nennen dürfte, denn es funktioniert wie ein jedes Gehirn einer gesunden Frau. Doch, da es gegen die gesellschaftliche Form der Geschlechtsbestimmung verstösst, dass eine Frau sich Frau nennen darf, wenn sie einen Penis hat - eine Sichtweise, die noch unter starkem Einfluss der nationalsozialistischen Rassen- und Geschlechtsideologie steht - darum wird dieser Frau nun verwehrt Frau zu sein. Sie wird männlich erzogen, obwohl sie weiblich denkt und fühlt, man sagt ihr "du musst gross und stark werden wie die anderen Jungs" und man wird ihr jegliche Weiblichkeit als falsche Verhaltensweise auslegen. Sie wird sich schliesslich dem Druck hingeben und selbst versuchen, so zu werden "wie die anderen Männer", doch das, man wird es sich wohl vorstellen können, wird mit einem weiblichen Gehirn nicht funktionieren. Dann irgendwann wird diese Frau sich dies auch eingestehen müssen, der "Kern des Menschen" ist nicht veränderbar, die Seele lässt sich nicht umpolen, und die transsexuelle Frau wird sich outen. Ein Mensch der Hilfe braucht. Nun wird sich diese Frau an einen "Experten" wenden, in der Hoffnung darauf, dass dieser ihr endlich helfen wird. Doch was passiert nun? Genau in diesem Moment des Wissens über das eigene Selbst wird diese von einer Geschlechtskörperstörung betroffene Frau zu einer Behandlung gezwungen, die ihr weibliches Selbstwissen für immer und ewig auslöschen will. Sie wird dazu gezwungen sich zum Mann zu erklären, um eine medizinische Behandlung zu erhalten. Sie wird dazu gezwungen ihre alte Existenz, eine in der sie immer Frau gewesen ist, gegen eine Existenz zu tauschen, die aus ihr einen "Mann" macht, der auf Grund einer psychischen Störung "glaubt" im falschen Körper geboren worden zu sein. Sie wird dazu gezwungen offiziell zu lügen und muss Papiere beantragen, die sie als "Frau mit männlicher Vergangenheit" brandmarkt. Sie muss ihre Seele verkaufen. F64.0 ist darum genauso paradox, wie menschenverachtend. Die Wissenschaftler, die hinter F64.0 stehen begehen Verbrechen. Die Wissenschaftler, die an F64.0 festhalten und immer noch von "Geschlechtsidentitätsstörung" sprechen, missachten jegliche Logik, die entsteht, wenn man sich einmal überlegt, was die Erkenntnisse aus Humangentik und Neurowissenschaft bedeuten. Wenn ein Gehirn sich geschlechtlich anders entwickelt als der "Körper", dann kann niemals nicht der Körper geschlechtsbestimmend sein, sondern immer das Gehirn. Damit wird eine transsexuelle Frau nicht mittels einer Hormonbehandlung und Genital-OP zur Frau gemacht, nein, sie ist als Frau auf die Welt gekommen. Darum ist der Kampf um Abschaffung des F64.0 ein Engagement gegen psychische Sklavenhaltung und Kampf um das Recht zu existieren. Wie aber verändert sich menschliches Bewusstsein? Das wäre zum einen so möglich, dass sich ein betroffener Mensch an die Experten wendet, um sie auf das Malheur aufmerksam zu machen, das sich im Zusammenhang mit der menschenverachtenden Geschlechterlogik und F64.0 ergibt. Doch, und das lässt sich schnell feststellen, gewachsene Machtstrukturen setzen oft über die Jahre Rost an und die beteiligten Menschen sind nur schwer dazu zu bringen, sich einen Fehler einzugestehen. Im Falle der Transsexualität müssten Sie dann ja zugeben, dass viele Suizid-Opfer auf ihr Konto gingen, und das würde wohl dem eigenen Ansehen schaden. Darum ist gerade bei den selbsternannten Sexperten aus dem Bereich der Psychologie die Ignoranz am Grössten. Und wie sieht es mit den Betroffenen aus? Da wird man doch mal fragen dürfen, warum, wenn Transsexualität nicht selten ist, selbst im Jahre 2006 nicht lauter protestiert wird. Die Antwort ist einfach: Ein Mensch, der medizinische Leistungen erhalten will, der schweigt, und spielt "das Spiel" mit. Dass die grosse sekundäre psychische Belastung, die zu der körperlichen Störung noch hinzukommt, energiezehrend ist, kann man sich vorstellen - wie soll es denn da möglich sein, noch um seine Rechte zu kämpfen? Gesellschaftliches Engagement, so meinen manche, liesse sich doch auch nach dem Prozess der medizinischen Angleichung genauso, und vielleicht noch besser, zeigen. Doch weit gefehlt: Denn wenn der medizinische Angleichungsprozess durchlaufen ist, so ist es genauso einfach ins herkömmliche Raster zu fallen, wie vor dem eigenen Outing. Eine Frau, von der die Experten sagen, sie ist ein Mann, eine Frau, die sich darauf einlässt sich zum Mann zu erklären, der "Frau werden will", die wird nach Durchlaufen der Hormonbehandlung und einer geschlechtsangleichenden Operation nur schwer argumentieren können, dass sie schon "immer Frau gewesen ist". Denn: Wer über Jahre Hormone nimmt, der wird sich wohl psychisch derart verändern können, zu glauben, schon immer "Frau gewesen zu sein". So hat die Frau, die sich auf die menschenverachtende Behandlung einlässt, tatsächlich ihre Seele verkauft. Und ein Mensch ohne Seele, der wird lange schreien können, nur glauben wird man ihm nie. Meiner Beobachtung nach, und das ist das erfreuliche, wird die menschenverachtende Sichtweise, die sich hinter F64.0 verbirgt, vorallem von interessierten Sekundär-Betroffenen, wie Angehörigen, aber auch von neugierigen Nichtbetroffenen als menschenverachtend geoutet werden. Vermutlich werden es dann auch andere Frauen sein - mir selbst sind Aussagen begegnet wie z.B. "denen würde ich ins Gesicht spucken" - die diese unterdrückenden Mechanismen entlarven. Weiterverbreiten von Frau-zu-Frau, Weitersagen und Bewusstsein-Schaffen, nicht die schmale Schnellstrasse ist der Weg sondern die breite Wiese. Genau aus diesem Grund sind die kleinen Informationen an Jedermann fast das wichtigste. Gespräche aber auch Sticker, kleine Sticker, die überall und unvermittelt auftauchen können. Stopp F64.0! Nur registierte Benutzer können Kommentare schreiben. Bitte einloggen! Powered by AkoComment! |