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14.02.2012
In der TAZ ist wieder einmal ein Artikel zum Thema "Transsexualität" erschienen, der transsexuellen Menschen aus meiner Sicht keinen Gefallen tut, da er genau das Klischee über transsexuelle Menschen promoted, das im DSM, dem internationalen Buch der psychischen Störungen verankert ist. Menschen mit "Gender Identity Disorders"/"Gender Dysphorie", so heisst es in diesen Buch, hätten den Wunsch, dem anderen sozialen Geschlecht angehören zu wollen, was sich durch Kleidung, bei Kindern durch bestimmtes Spielzeug und Aktivitäten, zeige. Gesellschaftlich stereotype Geschlechtervorstellungen werden also zur Schablone herangezogen, um sagen zu können: Wer sich nicht an die Konventionen hält, hat eine "gender dysphorie". So weit so gut. Dumm ist es, dass diese stereotype Gender-Schablone nun dafür gelten soll, ob ein transsexueller Mensch medizinische Behandlungen erhält, oder nicht. Da in den meisten Staaten dieser Welt eine medizinische Behandlung Voraussetzung für eine rechtliche Anerkennung ist, bedeutet dies folgendes:

Ein transsexueller Mensch (den es dieser psychopathologisierenden Logik zu Folge gar nicht gibt) wird erst dann als er selbst anerkannt, wenn er die stereotype Schablone, die im DSM verankert ist, erfüllt. Ein "Experte" weist dann Geschlecht von Aussen zu. Dies ist eine menschenverachtende geschlechtliche Fremdbestimmung.

Nun gibt es trotzdem Unterstützer dieser Fremdbestimmung. Zum einen sind es häufig auch Menschen, die im Zusammenhang mit "Transsexualität" stehen wie Betroffene, welche die psychopathologisierende Logik des DSM stützen, indem sie die Klischees wiedergeben, die in dem Buch der psychischen Störungen verankert sind. Wenn man weiss, dass das Erfüllen der Klischees häufig auch persönliche Vorteile bringen kann (wie schnelle Behandlung, Einfluss bei Lobbygruppen, welche bis heute die Existenz transsexueller - also als natürlich geschlechtsvariante - Menschen abstreiten, etc.), wird einem vielleicht bewusst, wie pervers das "System Trans" oft immer noch läuft. Wer sich frewillig unterdrücken lässt, bekommt von einer transsexuellenfeindlichen Gesellschaft eine Auszeichnung dafür. Es ist nicht selten so, dass selbst Gruppen und Vereine sich dieser Unterdrückung frewillig hingeben, so dass Labels wie "transgender", "transident" und sogar oft auch "transsexuell" keine Garantie dafür bieten, auf Menschen zu treffen, die emanzipiert und selbstbewusst genug wären, sich von der oben genannten DSM-Logik zu lösen.

Auf diese frewillige Selbstkastration, ein Fremdbestimmenlassen folgt dann in transsexuellenfeindlichen Gesellschaften die sekundäre Fremdbestimmung, z.B. durch Medien. Es scheint manchen Redakteuren ein besonderes Anliegen zu sein, beispielsweise transsexuelle Frauen nicht als Frauen, sondern als ehemalige Männer darzustellen. Auch der oben angesprochene TAZ-Artikel ist da wieder ein gutes Beispiel dafür. So schreibt Gabriele Lesser über die polnische Abgeordnete von einem Menschen, der "hünenhaft" wäre und eine "sonore Stimme" hätte, natürlich ohne zu vergessen, dass die "kräftigen Hände" mit mehreren RIngen geschmückt wären. Was dann folgt, ist eine Selbstbeschreibung der transsexuellen Polin, mit der sie die Diagnose des DSM bestimmt wunderbar erfüllt: Sie habe als "Junge" schon Wimperntusche benutzt, und ihrer Mutter ihre Rüschenbluse abgestrotzt. Dann geht es um Fussball, Kleidung, und Kosmetik. Die Kriterien für "gender dysphorie" wären somit alle erfüllt. Die Autorin der TAZ nennt das:

"Mädchenhaftigkeit des Jungen"

Damit ist Gabriele Lesser tatsächlich genau an der Selbstbeschreibung von Anna Grodzka, die sich je genau so selbst beschreibt. Anna Grodzka ist mit ihrem Verein "Trans-Fuzja" Mitglied bei Transgender Europe.

Ich frage mich nun:

Was ist mit den transsexuellen Menschen, die keine Lust darauf haben, die Klischees des DSM zu erfüllen?
Muss man als transsexueller Mensch still bleiben, wenn Menschen wie Anna die Klischees des DSM erfüllen und durch Vereins- und Lobbyarbeit (z.B. bei transgender europe) auch noch so tun, als gäbe es keine anderen transsexuellen Menschen?
Was kann ein transsexueller Mensch tun, der keine Lust darauf hat, sich psychoapthologisieren und fremdbestimmen zu lassen?

Das einzig sinnvolle, das mir dazu eingefallen ist: Laut sagen, dass man den Stereotypen des DSM nicht entspricht. Und genau das habe ich bei der TAZ versucht. Ich habe einen Kommentar geschrieben. Interessant, dass er von der TAZ bis heute nicht veröffentlicht worden ist. Hier ist er:

"Das traurige an der Situation transsexueller Menschen ist, dass sie ihr häufig ihr eigenes Wissen um ihr Geschlecht als un-wahr erachten, und meinen, dass eine Veränderung der Genitalien und der Klamotten ein Wechsel des Geschlechtes wären, anstatt ihr "Gefühl" als coming-out (von etwas, das ja da gewesen sein muss, damit das Ganze eine gewisse Logik hat) zu begreifen. So werden transsexuelle Menschen Opfer ihrer eigenen Selbstverleugnung, indem sie zulassen, dass man ihnen unterstellt (natürlich von Aussen), sie wären ja früher mal (im Falle von transsexuellen Frauen) "Mann" gewesen. Ist das so?

Warum? Weil da mal ein Penis war? Weil da jemand glaubt, das biologische Geschlecht müsse das Abbild Adam und Evas sein und somit keine Abweichungen möglich? Weil eine transsexuelle Frau sich vorher "männlich" gezeigt und "männlich" gelebt hat und damit so getan wird, als gäbe es "männliches" oder "Weibliches" Verhalten und daran das Geschlecht eines Menschen zu unterscheiden?

Wie wehrt ein Mensch sich gegen so eine stereotype Weltvorstellung, der selbst transsexuell ist, aber keine Lust darauf hat, diese Klischees zu bedienen? Vielleicht einfach so: Ich habe mit Autos gespielt, fand auch Hosen prima und steh' nicht wirklich auf lackierte Fingernägel. Und vorallem: Ich habe mich als transsexuelle Frau als Kind auch nicht "als Mädchen gefühlt", sondern hatte eher eine Ahnung, wer ich bin (auch wenn ich lange keine Worte dafür hatte). Ich finde diese stereotype Früher-war-ich-ein-Mann-jetzt-trage-ich-Rock-und-nenne-mich-Elisabeth-Nummer ziemlich ätzend auf Dauer. Sie ist die zum 5000sendsten mal erzählte Geschichte über Transsexualität, die - wäre sie nicht mit so viel negativen Folgen wie z.B. struktureller Diskriminierung (es gibt nämlich eine Menge transsexuelle Menschen, die keine Lust darauf haben, diese hier dargestellten Klischees zu erfüllen. Es gibt eine Mennge transsexuelle Menschen, die keine Lust darauf haben, sich von einer transsexuellenfeindlichen Medizin als "gender variant" oder Menschen, die psychisch irgendwie anders sind, bezeichnen zu lassen) verbunden - eigentlich nur noch ein müdes Gähnen hervorrufen sollte.

Nein. Liebe Frau Lesser. Es mag zwar sein, dass Ania im Schrank gelebt hat -  tausende transsexuelle Menschen haben dies nicht. Es mag zwar sein, dass eine transsexuellenfeindliche Gesellschaft meint, dass diejenigen, welche die Diagnose "Geschlechtsidentitätsstörung" des internationalen Buches der psychischen Störungen, dem DSM, und seine Symptome (Jungs, die mit Puppen spielen, Lippenstift mögen und gerne Pumps tragen) gut und brav auswendig gelernt haben, einen Preis verdient hätten für ihre Unterwerfung (indem sie den Unsinn, den sich eine psychopathologisierende Zunft einst ausgedacht hatte, nachbeten)... Ich bin da aber völlig anderer Ansicht. Selbstbewusstsein heisst aus meiner Sicht nicht das Nachbeten irgendwelcher stereotyper Formeln, sondern lediglich das Wissen um das eigene Selbst. Und nicht ein "fühlen wie (jemand anders).

Danke für den Artikel. Er zeigt, dass transsexuelle Menschen, die keinen Bock auf solche Klischees haben, gerne noch ein wenig lauter werden dürfen."


Hier der Link zum Original-Artikel in der TAZ: Klick
 
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