Es ist Zeit deutlich zu machen, dass ich
mittlerweile glaube, dass etwas wie eine "Geschlechtsidentität" in
seiner Bedeutung als "gender identity" nicht existiert. Unter "Gender
Identity" stellt sich die Psycho-Sexologie seit den 60er-Jahren eine
soziale Geschlechtsidentität vor. "Gender" ist dabei das "soziale
Geschlecht" des Menschen. "Gender Idenity" wurde in einer Zeit erfunden,
in der das abweichende, unnormale Verhalten mancher homosexueller
Menschen erklärt werden sollte und man nicht bereit war, Homosexualität
als natürliche Normvariante anzuerkennen: Anfang der 60er-Jahre.
Psychologen behaupteten damals äussere Einflüsse (wie eine falsche
Erziehung durch die Eltern) wären für Homosexualität verantwortlich. Sie
behaupteten damit auch, dass Homosexualität etwas sei, das erst
entstünde.
Mittlerweile weiss man es besser und hat, auch auf
Grund zahlreicher Proteste von gay-Rights-Organisationen in den USA,
sich von solchen Thesen verabschiedet - zumindest sieht es erst einmal
danach aus. Bei näherer Betrachtung haben die Thesen, die auf der
Annahme einer sogenannten "psychosexuellen Entwicklung" basieren,
überlebt. Diejenigen, die immer noch psycho-pathologisiert werden sind
die homosexuellen Menschen, die sich nicht heterosexuell genug
verhielten und transsexuelle Menschen. Transsexuelle Menschen sind
diejenigen, die noch heute weiterhin von den Ideologien der 60er-Jahren
betroffen sind. Sie sind es deswegen, da immer noch behauptet wird,
Sexualität sowie Geschlecht hätte etwas mit einer "Geschlechtsidentität"
zu tun.
Eine "Geschlechtsidentität" bzw. "gender identity" gibt es aber nicht.
Ich will erklären, warum nicht. Es ist ganz einfach:
Jedes Coming Out ist eine persönliche Befreiung von äusseren geschlechtlichen Erwartungen und Normen.
Ein
Mensch, der sich sozial wie seine Genitalien verhalten soll - zumindest
wollen das ja stereotype Gesellschaften - erkennt: "da ist etwas
anders. Ich muss ehrlich zu mir und meiner Umwelt sein". Er befreit sich
von dem Glauben, dass die Genitalien oder andere Körpermerkmale immer
eine Aussage über Sexualität oder Geschlecht eines Menschen treffen.
Dass müssen sie nämlich nicht.
Ein Coming Out ist also der
Prozess der Selbstbewusstwerdung gegen äussere Widerstände. Zu diesen
Widerständen gehört eben das Konzept einer "Gender Identity". Das muss
deswegen so sein, da "gender" das soziale Geschlecht bedeutet und
"Geschlechtsidentität" etwas mit der Umwelt zu tun haben soll. Wenn ein
homosexueller oder ein transsexueller Mensch ein Coming Out erleben,
dann hat dies aber mit einem Sich-Annehmen, Sich-AKzeptieren und
Sich-Selbst-Bewusstwerden gegen soziale Zwänge zu tun.
"Gender
Identity" bzw. "Geschlechtsidentität" ist also ein Begriff, der nach wie
vor dazu genutzt wird, geschlechtliche Normabweichungen zu
psychopathologisieren. Die Begriffe stammen historisch von
Psycho-Medizinern und werden heute noch verwendet, wenn es um die
Verfügbarmachung von Geschlecht geht. Eine transsexuelle Frau wird von
der Psycho-Sexologie als "biologischer Mann" mit "weiblicher
Geschlechtsidentität" bezeichnet, um eine transsexuelle Frau nicht als
biologische Normvariante, eben als transsexuelle Frau anerkennen zu
müssen. Begriffe wie "Transgender" und "Transidentität" kommen der
Psychosexologie in ihrer psychopathologisierenden Sicht entgegen, da
beide auch davon ausgehen, dass ein Mensch sich wie ein anderer fühlen
oder zu einem anderen Menschen werden könne. Betrachtet man die Realität
ist beides Unsinn.
Ein Mensch ist, wer er ist.
Genau
aus diesem Grund sollte jeder Mensch, der sich aktiv für die
Anerkennung geschlechtlicher Normvarianten einsetzt, die ja in der Natur
existieren, aber in vielen Gesellschaften immer noch staatlich verfolgt
oder als nicht-existent definiert werden (eben auch in Deutschland),
kritisch mit den Thesen der Psycho-Sexologie auseinandersetzen, die von
einer "Geschlechtsidentität" sprechen. Denn "Geschlechtsidentität" ist
ein Begriff, der geschlechtliche Vielfalt unsichtbar machen will.
Achtung:
In alten Texten auf dieser Website ist auch von "Geschlechtsidentität"
die Rede. Damit war niemals eine soziale Geschlechtsidentität gemeint.
Mir war zum damaligen Zeitpunkt nicht klar, dass der Begriff mit einem
Weltbild verbunden ist, das geschlechtliche Vielfalt ablehnt. Ich bitte
darum, falls ihr über den Begriff stolpert, ihn mit "Wissen über das
eigene Geschlecht" zu übersetzen und immer daran zu denken, dass
"Geschlechtsidentität" genau DAS nicht heissen soll bzw. nicht heissen
kann. Der Begriff "Geschlechtsidentität" ist das Paradoxon, dessen
Un-Logik der Hauptgrund für die Pathologisierung geschlechtlicher
Normvarianten ist. Es ist deswegen ein Paradoxon, da ein Wissen über
sich selbst etwas anderes ist, als ein Wissen über den geschlechtlichen
Platz, den eine Gesellschaft für einen selbst zur Verfügung stellen
will.
Eine "Gender Identity" kann also NIE das Wissen eines Menschen über sein eigenes Geschlecht bedeuten. Daraus folgt, dass so etwas wie eine "Geschlechtsidentität" als solche nicht existieren kann.
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