Was heißt "Geschlecht"?
Biologische Symbole für weiblich und männlich
Weiblich (Venus? Handspiegel? Vulva?)
Männlich (Mars? Pfeil und Bogen? Penis und Hoden?)
Das Wort "Geschlecht" (von "Schlag", wie in "Menschenschlag"), bedeutet ursprünglich nicht mehr als "Art", d.h. es besagt nur, dass es zwei Arten, also Geschlechter, von Menschen gibt - weibliche und männliche. Das lateinische "Sexus" (von secare: schneiden, trennen) hat dieselbe Bedeutung. Es verweist auf die Trennung der Menschheit in zwei Arten oder Gruppen - eine weibliche und eine männliche. Jeder Mensch gehört also entweder der einen oder der anderen Gruppe an, d.h. er ist entweder weiblichen oder männlichen Geschlechts.
Bei genauerem Hinsehen ist die Sache aber nicht so einfach, denn manchmal kann es sehr schwierig sein festzustellen, ob ein Mensch weiblich oder männlich ist.
Wie stellt man im Einzelfall fest, ob ein Mensch weiblich oder männlich ist?
Für eine genaue Geschlechtsbestimmung muss man grundsätzlich sieben Faktoren unterscheiden. Bei jedem dieser Faktoren kann es neben dem Regelfall auch Sonderfälle geben:
1. Das chromosomale Geschlecht
2. Das gonadale Geschlecht
3. Das hormonale Geschlecht
4. Die inneren Geschlechtsorgane
5. Die äußeren Geschlechtsorgane
6. Das anerzogene Geschlecht
7. Die geschlechtliche Selbstidentifizierung
1. Das chromosomale Geschlecht
Regelfall:
Die Zellen des weiblichen Körpers enthalten u.a. zwei X-Chromosomen (XX).
Die Zellen des männlichen Körpers enthalten u.a. ein X und ein Y Chromosom (XY).
Sonderfälle:
In seltenen Fällen gibt es problematische Unregelmäßigkeiten, also etwa Kombinationen wie XXY, XYY oder XXX. Die damit geborenen Menschen haben verschiedene körperliche Entwicklungsprobleme oder sind unfruchtbar.
2. Das gonadale Geschlecht
Regelfall:
Der weibliche Körper hat Eierstöcke (weibliche Gonaden d.h. Geschlechtsdrüsen).
Der männliche Körper hat Hoden (männliche Gonaden).
Sonderfälle:
In seltenen Fällen finden sich Eierstock- und Hodengewebe im gleichen Körper.
3. Das hormonale Geschlecht
Regelfall:
Die in den Gonaden produzierten 'weiblichen' und 'männlichen' Hormone spielen eine wichtige Rolle bei der typisch weiblichen bzw. männlichen Entwicklung des Körpers, und zwar besonders vor der Geburt und in der Pubertät, aber auch im späteren Leben.
Sonderfälle:
Ein Zuviel oder Zuwenig der 'männlichen' und 'weiblichen' Sexualhormone kann einen entscheidenden Einfluss auf die 'männliche' oder 'weibliche' körperliche Funktion haben und zu untypischen Erscheinungsbildern führen.
4. Die inneren Geschlechtsorgane
Regelfall:
Der weibliche Körper hat Eileiter, eine Gebärmutter (lat. Uterus), und eine Scheide (lat. Vagina) usw.
Der männliche Körper hat Samenleiter, Samenbläschen und eine Prostata usw.
Sonderfälle:
In seltenen Fällen sind diese Organe unterentwickelt oder fehlen ganz.
5. Die äußeren Geschlechtsorgane
Regelfall:
Der weibliche Körper hat eine Klitoris, große (äußere) Geschlechtslippen und kleine (innere) Geschlechtslippen usw.
Der männliche Körper hat einen Penis und einen Hodensack.
Sonderfälle:
In seltenen Fällen sind diese Organe untypisch entwickelt, unterentwickelt oder fehlen ganz.
6. Das anerzogene Geschlecht
Regelfall:
Ein Kind mit weiblichem Körper wird gewöhnlich als Mädchen erzogen.
Ein Kind mit männlichem Körper wird gewöhnlich als Junge erzogen.
Sonderfälle:
Es ist möglich und geschieht in sehr seltenen Fällen, dass Kinder, die körperlich eindeutig weiblich bzw. männlich sind, trotzdem in der Rolle des anderen Geschlechts erzogen werden.
7. Die geschlechtliche Selbstidentifizierung
Regelfall:
Ein Kind mit weiblichem Körper, das als Mädchen erzogen wird, identifiziert sich gewöhnlich auch selbst als weiblich.
Ein Kind mit männlichem Körper, das als Junge erzogen wird, identifiziert sich gewöhnlich auch selbst als männlich.
Sonderfälle:
Es gibt Fälle, in denen körperlich weibliche und als Mädchen erzogene Kinder sich selbst dennoch als männlich, also als Jungen, identifizieren, und umgekehrt gibt es dies auch bei Jungen, die sich als weiblich, also als Mädchen, fühlen.
Die 7 Faktoren der Geschlechtsbestimung mit ihren Regelfällen und möglichen Ausnahmen sind von einander unabhängig. Daher sind für Einzelfälle viele Kombinationen möglich. Beim Menschen ist das Geschlecht also ein komplexes Gebilde mit biologischen, psychologischen und sozialen Komponenten. Bei alledem kann man aber zunächst zwei Grundaspekte unterscheiden:
- das körperliche Geschlecht und
- die Geschlechtsrolle.
Dazu kommt noch ein dritter Aspekt:
- die sexuelle Orientierung.
Aus: Archiv der Sexualwissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin
http://www2.hu-berlin.de/
Wichtiger Hinweis: Der Begriff
"Geschlechtsidentität" in älteren Artikeln auf dieser Website meint
etwas völlig anderes, als das, was offiziell unter "gender identity"
verstanden wird. "Geschlechtsidentität" meint auf mut23 das Wissen um
seine eigene Geschlechtszugehörigkeit bzw. einfach nur Geschlecht. Da
die Verwechslungsgefahr zu "gender identity" aber gross ist, kommt der
Begriff "Geschlechtsidentität" in neueren Artikeln nicht mehr vor.
Übrigens: Eine "gender identity" gibt es nicht. Die Vorstellung einer
"gender identity" basiert auf Geschlechtsrollen-Klischees, der
Vorstellung von Mann-Frau-"Verhaltensweisen" und gehört
Geschlechtsstereotypen, die transphobe Gesellschaften dazu missbrauchen,
transsexuellen Menschen ihr Recht auf ihr Geschlecht zu verwehren. Der
Begriff "gender identity" wurde von John Money
erfunden, und dient bis heute als Grundlage für geschlechtliche
Zwangszuweisungen wie der Verstümmelung intersexueller Menschen und der
Psychiatrisierung transsexueller Menschen.
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